"Sind die Arbeits-bedingungen in der Architektur noch zeitgemäß?"
Ja! 12%
Nein! 88%
„Eine Quote ändert gar nichts an dem Problem, wie schwer Familie und Beruf auch weiterhin zu vereinbaren sind, erst recht bei den Arbeitszeiten, die in unserer Branche üblich sind. “
(Regine Leibinger, Barkow Leibinger)
„Die beruflichen Rahmenbedingungen müssen stimmen. ... Dazu ist es entscheidend, wie man den Alltag als Familie organisieren kann. In meinem persönlichen Fall ist das vollig gleichberechtigt, sprich: Mein Partner und ich arbeiten beide 75% und kümmern uns in gleichen Teilen nachmittags um unsere Kinder. So können wir beide eine verantwortungsvolle und erfüllende Aufgabe übernehmen.“
(Jasna Moritz, kadawittfeldarchitektur)
„Weit interessanter als die Frage nach dem "wer" ist die Suche nach dem "wie". Wie ist es möglich, Architektinnen und Architekten, auch nachdem sie eine Familie gegründet haben, weiter in einer verantwortungsvollen Aufgabe im Büro einzubinden?“
(Stefan Rappold, Behnisch Architekten)
Die Diskussion um die letzte BKULT-Frage nach einer Frauenquote in der Architektur mündete in vielen Fällen in Forderungen nach mehr Vereinbarkeit von Familie und Architektenberuf. Wie in anderen Branchen auch, besteht der Wunsch nach mehr Flexibilitat und insgesamt kürzeren Arbeitszeiten – für Männer und Frauen, auch in Führungspositionen.
Gerade für die Anfang 30-Jährigen ist der Berufseinstieg nach einem langen Studium mit vielen Arbeitsstunden, schlechter Bezahlung und unsicheren Arbeitsplatzverhältnissen verbunden. Aber auch später, wenn man zum Projektleiter aufgestiegen ist oder ein eigenes Büro führt, sieht es vor allem in punkto Arbeitsstunden nicht viel besser aus. Fast 40% der Architekten in Deutschland arbeiten 45 Stunden und mehr. An Privatleben geschweige denn Familiengründung ist für viele nicht zu denken.
Hinzu kommt der nervenaufreibende Termin- und Leistungsdruck bei der Teilnahme an Wettbewerben. Die Absurdität dieses Geschäfts lassen die Beobachtungen im Trailer des Dokumentarfilms „The Competition“ erahnen. Angel Borrego Cubero beobachtete verschiedene namhafte Architekturbüros während der nächtlichen Arbeit kurz vor Abgabe des Wettbewerbs des Neuen Nationalmuseums in Andorra – es wurde nie gebaut. Man fragt sich, ob diese Anhäufung schlecht- oder unbezahlter Arbeitsstunden volkswirtschaftlicher Wahnsinn oder pure Leidenschaft ist.
Warum aber schafft es zum Beispiel Dänemark, das Land, dass europaweit die zufriedensten Architekten hat, dieselbe Arbeit in dem dafür vorgesehenen Zeitrahmen zu bewältigen? Architekten verdienen hierzulande wenig und in Teilzeit noch weniger. Trotzdem würden sich manche Paare die Arbeit gerne teilen. Wir haben einerseits ein Überangebot an Architekten und andererseits für angestellte Mitarbeiter in Architektur-/Ingenieur- und Planungsbüros keine Tarifpflicht. Auf Wikipedia wird der Berufsstand zum Akademischen Prekariat gezählt. In fast jeder Branche wird über moderne Unternehmensführung, neue Arbeitszeitmodelle, Mindestlöhne, flache Hierarchien und Familienfreundlichkeit diskutiert – außer in deutschen Architekturbüros. Warum soll es nicht möglich sein, zum Beispiel ein Projekt auch auf vier anstatt zwei Schultern zu lagern? Schließlich ist doch Teamarbeit eine der Schlüsselqualifikationen des Berufs. Oder stolpert der eine oder die andere dabei über den Künstlerethos? Sind die Arbeitsbedingungen in deutschen Architekturbüros also noch zeitgemaß?
Jein ...
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Architekten gehören zum „akademisches Prekariat“ – ist das nicht ein bisschen hoch gejammert? Die Qualität der Arbeitsbedingungen misst sich ja nicht nur am angemessenen Entgelt für die Arbeit und an familien- oder freizeitgerechter Arbeitszeit, sondern auch, vielleicht sogar vornehmlich, an der Qualität von Arbeitsaufgaben und Arbeitsprozessen. Seit 33 Jahren bin ich freischaffende Architektin und bin mit dem, was ich beruflich zu tun habe, nach wie vor hoch zufrieden. Es gibt immer wieder neue Aufgaben mit neuen Kontakten, viel kreative Arbeit, kaum Routine, produktive Teamarbeit, die ständig variiert und neue Kooperationen mit sich bringt, neue Feldfabriken an den verschiedensten Orten . Verglichen mit anderen freien Berufen sind das Dank der Vielfältigkeit die interessantesten Arbeitsbedingungen. Ich möchte mit keinem Arzt, Rechtsanwalt oder Steuerberater tauschen.
Die Hetze hat sicher zugenommen und auch der Kostendruck – genügte beim Beginn meiner Arbeit ein Zeichenbrett, muss nun eine teure Hard- und Software verdient werden. Und damit wären wir beim Geld: Die Architekten stehen, trotz der öffentlichen Sichtbarkeit und der gesellschaftlichen Bedeutung ihrer Projekte am Ende der Einkommensskala der freien Berufe – gemessen am üblichen Stundensatz. Wie sind wir, als der traditionsreichste Ingenieurberuf, dorthin gekommen? Wie konnte uns HSL-Planung, wie konnten uns Statiker, Rechtsanwälte, Zahnärzte und Wirtschaftsprüfer derart überholen? Ein auskömmliches Honorar ist notwendig, um die Überlast, die wir ständig fahren, abzubauen und um einen ordentlichen Personalpuffer einbauen zu können, der familienfreundliche Arbeitsbedingungen ermöglicht.
Die HOAI ist daran sicher nicht schuld – jedenfalls bringt die Novelle wirklich eine angemessene Steigerung – wenn auch von dem hergebrachten niedrigen Niveau aus betrachtet. Diese Steigerung ist jedoch vielfach nur theoretisch. Und da liegt das Problem: Wir müssen die Honorare, wenigstens aber die Mindestsätze, auch durchsetzen! Es ist doch ein Drama, dass selbst öffentliche Auftraggeber sich nicht scheuen, darunter liegende Angebote anzunehmen, ja sogar – gesetzeswidrig! – zu verlangen. Hier müssen unsere berufsständischen Interessenvertretungen – Kammern und Verbände – viel besser werden, zumindest müssen sie legales Verhalten einfordern und dürfen illegales nicht tolerieren. Aber auch keiner von uns darf da mitmachen.
Sicher bringt unsere professionelle Struktur mit den vielen, sehr kleinen Büros keine große Marktmacht – es herrscht viel zu viel (Unterbietungs-)Konkurrenz. Bei den Anwälten gibt es viele kleine, arme Praxen und prächtig verdienende Megapraxen, die aber dann doch wenig attraktive Arbeitsbedingungen für den Einzelnen bieten. Hierin liegt das Dilemma, denn wir sollten auf keinen Fall auch noch den Trend zum Großbüro bei uns fördern. Dieser Druck besteht ohnehin schon bei vielen Büros nur um bessere Marktbedingungen zu bekommen. Bessere Arbeitsbedingungen werden es dadurch sicher nicht.
Was ist zu tun? Wie schon im Blog nachlesbar: mehr Zurückhaltung mit kostenlosen (Vor-) Leistungen, die Mindestsätze der HOAI einhalten, den Wert der Arbeit öffentlich darstellen und in jedem einzelnen Projekt deutlich machen, gemeinsam dem Bauträgerdenken, wonach der Architekt ein einzusparender Faktor ist, entgegenarbeiten und sich als Berufsanfänger nicht als (fast) kostenlose Arbeitskraft anbieten und damit auch noch das Lohnniveau drücken. Und sicher noch sehr viel mehr …
Mein Fazit lautet: Die gesellschaftliche Wahrnehmung des Wertes unserer Arbeit ist die Voraussetzung für angemessenen Lohn der Mitarbeiter und angemessenen Gewinn der Selbständigen. Daran müssen wir alle arbeiten.
Barbara Ettinger-Brinckmann ist seit 2004 Präsidentin der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, nachdem sie bereits vier Jahre als Vizepräsidentin tätig war. Von 1974 bis 1977 war sie Mitarbeiterin des Städtebaulichen Instituts der Universität Stuttgart und verschiedener Architekturbüros. Seit 1980 arbeitet sie freischaffend (ANF mit Prof. Dr. Peter Jockusch und Manfred Hegger / seit 1994 ANP GmbH mit Michael Bergholter). Das Büro ist auf den Gebieten Hochbau (in der Kasseler Region), Städtebau / Stadtplanung (bundesweit) und Verfahrensmanagement (über Deutschlands Grenzen hinaus) tätig. Sie ist Mitglied des BDA, Bund Deutscher Architekten und des Deutschen Werkbunds. 1998 initiierte sie das KAZimKUBA (Kasseler Architekturzentrum) und ist seitdem seine Vorsitzende.
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Elke Duda / 11.9.2013 / 11:37
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