"Brauchen wir mehr Investoren-Architektur"?
Ja! 20%
Nein! 80%
Architektur unter Investorenägide: 2010 wurden das 1959 errichtete Münchner AGFA-Hochhaus und die Verwaltungsbauten durch einen Neubau ersetzt. Um an der stadträumlich exponierten Stelle einen Akzent zu setzen, schrieb der Investor (Park Immobilien) einen Wettbewerb zur Fassadengestaltung aus. Der erste Preis ging an Hild und K Architekten.
Wenige Begriffe werden im Architekturdiskurs so einhellig verbannt wie jener des „Investors“ und mit ihm der „Investorenarchitektur“. Der Terminus steht für seelenloses, profitgeiles Einheitsbauen ohne Sinn für städtische Kontexte und ohne Blick für architektonische Details. Für eine Architektur, die in Fachzeitschriften wie im Feuilleton in Bausch und Bogen verdammt – oder gleich ganz ignoriert wird.
In der Tat können wir sie in jeder Stadt besichtigen, diese geltungssüchtigen Fließbandbüroklötze, die außer schnell verpuffenden optischen Primärreizen wenig zu bieten haben. Aber ist damit alles gesagt? Nein. Zum einen deshalb nicht, weil zunächst noch offen bleibt, was eigentlich das positive Gegenmodell zum Bauen mit Investoren ist. Braucht nicht jedes neue Gebäude einen Geldgeber, also Investor? Womit sich eher die Frage stellt: Warum entsteht eigentlich so viel Edelschrott? Was macht „gute“ Investoren aus, wie erkennt man die „schlechten“ – und kann man aus ihnen gute machen?
Damit wäre auch die Frage aufgeworfen, ob urbaner Wandel auch anders denkbar ist denn als staatlich zu verordnendes Sozialprogramm. Ob private Bauherren in ihm eine produktive Rolle spielen können. Denn eine Rolle spielen sie ja ohnehin, die Unternehmen oder wohlhabenden Individuen, die, mit klaren Vorstellungen und oft auch klaren unternehmerischen Visionen, ins Stadtbild eingreifen. Allerdings stellt sich die Frage, wie wir es schaffen, dass diese Eingriffe zu einer aussagekräftigen, interessanten und lebenswerten urbanen Struktur führen. (Gelungene und weniger gelungene Beispiele dazu gibt es auch in der Juli-Ausgabe des Baumeister zu sehen.)
Einen interessanten Fall offenbar nicht komplett verdammungswürdigen Investorenbauens hätte eigentlich Berlins prominentestes urbanes Sorgenkind erleben sollen, der Alexanderplatz. Ausgerechnet ein klassischer Investor, die Immobilienfirma Euroboden, wollte hier mit Arno Brandlhuber bauen – und zwar in einer Form, die den Kritiker Niklas Maak schon von „brasilianisch-französischer Leichtigkeit“ sprechen ließ. Die aber kommt nun doch nicht nach Berlin. Das Projekt wurde in letzter Sekunde abgeblasen.
Ein näherer Blick auf den Text von Maak in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung lohnt dennoch. In ihm gelangte der Kritiker nämlich zu dem Gedankenspiel, ob man nicht am Alexanderplatz weitere Investoren sich austoben lassen sollte. Mit den Einnahmen könnte man um die Investoren(t)räume herum verdichtet, heterogen, sozial bauen – also so, wie es das Gegenmodell zum bösen Investor nahelegt.
Eine nette Pointe – die aber am Kern unserer Thematik vorbeizielt. Denn sie lässt die Pauschalkategorie „die Investoren“ und die damit einhergehende Pauschalverdammung unangetastet. Wir sollten sie aber antasten. Wir sollten fragen, mit welchen Forderungen man jeden konkreten Investoren sinnvoll konfrontieren kann – und wie. Es stimmt, viele Immobilienunternehmen scheinen in einem a-kulturellen Vakuum zu agieren, in einer Art protokapitalistischer Kuschelzone. Was aber muss geschehen, um sie genau da herauszuholen? Gibt es vielleicht ökonomische Argumente, die gegen jene „trostlosen Investorenträume“ sprechen, die Maak zurecht in luxusbewohnten Berliner Prestige-Anlagen wie dem „Yoo“ oder den „Kronprinzengärten“ erkannt hat? Oder hat das private Kapital mit seiner Tendenz zur Selbstvermehrung tatsächlich zwangsläufig stadtzersetzende Effekte? Was dann implizieren würde, dass nur gegen den Markt und mithilfe staatlicher Bauprogramme so etwas wie architektonisch gehaltvolle Urbanität zu schaffen sei.
Fragen wie diese wollen wir mit dieser Debatte anstoßen. Sie soll einen Beitrag leisten zum Verständnis davon, wie wir unsere Städte (weiter-)entwickeln wollen. Und sie soll ein wenig Klarheit schaffen darüber, was wir überhaupt meinen, wenn wir von „Investoren-Architektur“ reden. Denn dass der Begriff unterschiedlich interpretiert werden kann, legt ja schon unsere Einleitungsfrage nahe. Sie deutet auf die Forderung an Investoren hin, sich bewusster mit der eigenen Rolle als massiv den urbanen Raum prägende Akteure auseinanderzusetzen. So verstanden, lässt sich die Frage letztlich auch so formulieren: Wie gelangt mehr urbane Sensibilität ins Zielsystem von Investoren? Und damit mehr Architektur in die „ Investoren-Architektur“?
Gastredakteur dieser Debatte ist Dr. Alexander Gutzmer (geb. 1974), Chefredakteur des Architekturmagazins Baumeister und Editorial Director des Münchner Verlagshauses Callwey. Zuvor arbeitete der promovierte Kulturwissenschaftler und Diplom-Kaufmann als Editorial Director bei der Burda Creative Group und war über fünf Jahre lang Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins think:act von Roland Berger Strategy Consultants. Drei Jahre lang berichtete Gutzmer zuvor für die Welt am Sonntag aus London und Berlin. Neben verschiedenen Lehraufträgen schreibt eine Kolumne auf Focus Online und ist Mitglied des Autorennetzwerkes "Achse des Guten".
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Natürlich brauchen wir Investoren-Architektur, denn überall wo gebaut wird, gibt es einen Investor, der das Bauwerk bezahlt. Die Diskussion um die sogenannte Investoren-Architektur muss zwangsläufig in die Irre führen, wenn in der Fragestellung selbst bereits zwischen den Zeilen ein zutiefst abwertendes Vorurteil gegenüber Investoren mitschwingt. Warum ist zum Beispiel unter den hier geladenen Kommentatoren kein einziger der sogenannten Investoren zu finden? Wäre es nicht interessant, die Gedanken derjenigen, um die es hier geht, in diese Debatte einzubeziehen?
Der Investor scheint in der Gedankenwelt vieler Menschen, insbesondere wenn sie Architekten sind, „der Böse“ zu sein, während die Architekten selbst „die Guten“ sind. Das klingt verdächtig. In der Psychologie spricht man in diesem Fall von einer Projektion. Das was man bei sich selbst nicht sehen kann – zB die Macht, die Umwelt nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten – wird auf ein Gegenüber projiziert, das man als Widersacher empfindet.
Solange wir in einer solchen Denkfigur gefangen sind, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Architekturschaffenden und ihre Geldgeber einander annähern um zu einem Konsens darüber zu finden, wie sie einen gemeinsamen (!) Beitrag zu einer besseren Welt erschaffen können. Ein gemeinsames Verständnis von sogenannter guter Architektur, die ästhetisch ansprechend und gleichzeitig profitabel ist, die das Leben in der Umgebung des jeweiligen Bauwerks bereichert und stimuliert, wird erst möglich, wenn wir unser Denken von Generalisierungen wie "der Investor", "der Architekt", "der Bauherr", "der Nutzer" etc. befreien, denn das wirkliche Leben stellt sich sehr viel differenzierter dar.
"Den Investor" gibt es genau so wenig wie "den Architekten". Es macht einen großen Unterschied, ob ein Investor selbst Bauherr und Nutzer ist oder ob er eben nur das Geld gibt und jenseits seiner Gewinnerwartung keine anderen WERTE verfolgt. Es macht einen Unterschied, ob ein privater Häuslebauer einmal im Leben baut, oder ob ein gewerblicher Global Player kontinuierlich Umsätze in Milliardenhöhe erwirtschaftet. Das Bild vom bösen Investor zerfällt in seine Einzelteile, sobald wir uns vergegenwärtigen, dass es in der Welt der Investoren unendlich vielfältige Zielgruppen gibt, die jeweils ganz unterschiedliche Werte favorisieren und die ganz unterschiedliche Qualitätsbegriffe haben.
Wir verwenden den Qualitätsbegriff meist in einer Weise, der einer kritischen Betrachtung nicht standhält. Wir glauben, es handle sich um eine objektive Kategorie. In Wirklichkeit ist Qualität aber relativ. Ob etwas Qualität hat oder nicht, hängt vom jeweiligen Kontext ab und von den Werten, die in dem jeweiligen Kontext favorisiert werden. Ob ich etwas als qualitätvoll ansehe, hängt einzig und allein davon ab, ob es meine eigenen subjektiven Erwartungen erfüllt oder gar übertrifft.
Unter Architekten ist es üblich, die Qualität ihrer Arbeit allein nach ihren eigenen Qualitätsmaßstäben zu bewerten. Das hat eine gewisse Berechtigung. Auch in der Musik werden die Standards oft allein von Musikern gesetzt. In vielen Fällen ist aber auch der Produzent (Investor) derjenige, der den Sound kreiert. Wer also seine eigene Definition von Qualität zum Maß aller Dinge erhebt, schließt damit „den Investor“ aus. (Investoren-) Architektur kann nur dann gut sein, wenn sie den gemeinsamen (!) Werten von Architekt, Investor und Publikum entspricht. Aber was sind diese gemeinsamen Werte?
Was immer die Werte sein mögen, der springende Punkt ist der Gleichklang der Werte aller Beteiligten. Für jeden Architekten, der Investoren für die Architektur begeistern möchte, ist es naheliegend eine Community von Kunden um sich zu versammeln, die seine eigenen Werte teilen. Ich gebe zu, dass sich eine solche Community nicht über Nacht aus dem Hut zaubern lässt. Aber wenn Sie Architekt sind, werden Sie mir wahrscheinlich zustimmen, dass es sich lohnt, sich auf die eigenen Werte zu besinnen und die eigene Macht zurück zu gewinnen. Stimmt’s?
Volker Eich, wurde 1954 in Köln geboren. Er lebt in Berlin und hat von 1982 - 1998 als Architekt gearbeitet. Seit 1998 arbeitet er als Strategieberater für Architekten. 2006 hat er die Unternehmerwerkstatt StrategiekreisArchitekten ins Leben gerufen. 2013 hat er DAS STRATEGIEBUCH FÜR ARCHITEKTEN publiziert. WWW.STATEGIEKREIS-ARCHITEKTEN.DE
Volker Eich: Selbstbild, Venezia (2009) aus DAS STRATEGIEBUCH FÜR ARCHITEKTEN
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