"Brauchen wir noch IBAs?"
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Nein! 32%
Seit über hundert Jahren gibt es Internationale Bauausstellungen, doch ihre Attraktivität scheint ungebrochen. Gleich vier deutsche IBAs sind derzeit in Planung oder realisiert. Doch zugleich ist dieses Instrument der Stadtplanung in Fachwelt und Bevölkerung hoch umstritten. Das zeigt sich in besonderer Weise an der aktuell laufenden Bauausstellung in Hamburg-Wilhelmsburg: Die einen sehen in ihr den erfolgreichen Versuch, einen allumfassenden Wandel in einem abgehängten Stadtteil einzuleiten. Die anderen geißeln sie als staatlich gelenkte Urbarmachung eines attraktiven, aber stigmatisierten Stadtbereichs für Spekulanten und Investoren. Die Befürworter sehen in dieser IBA 2013 eine Bauausstellung neuen Typs, die weniger auf Architekturspektakel setzt und stattdessen mit innovativen Maßnahmen in den Bereichen Soziales, Bildung, Kultur und Nachhaltigkeit in Abstimmung mit den Bürgern eine integrierte Stadtentwicklung betreibt. Die Gegner hingegen kritisieren eine thematische Beliebigkeit und halten die Bürgerbeteiligung für vorgeschoben – letztlich werde hier Stadtplanung im Zeichen des Neoliberalismus gegen die Interessen der Einwohner betrieben und die soziale Spaltung verschärft. Auch bei den Befürwortern auf der Elbinsel bleibt die Angst, dass lediglich ein einmaliges Feuerwerk abgebrannt wird und die Stadt nach dem Ende der IBA Wilhelmsburg wieder sich selbst überlässt.
Die IBA Hamburg zeigt: Es muss diskutiert werden. Werden IBAs austauschbar und inflationär? Lassen sich Stadtentwicklungsprozesse nur noch mit dem Ausnahmezustand Bauausstellung vorantreiben, um dicht gewachsene Regelwerke zu lichten und genügend staatliche und private Gelder freizusetzen? Sind die Ziele heutiger IBAs – Verbesserung von städtischer Infrastruktur, von Wohnmöglichkeiten und Bildungschancen, das Vorantreiben des energetischen Wandels etc. – nicht ohnehin Pflichtaufgaben von Kommunen und Ländern und müssten im Rahmen der Stadtentwicklung behandelt werden? Ist der internationale Anspruch einer IBA gerechtfertigt oder ist die globale Relevanz lokaler Fragestellungen nicht eine Fiktion? Führt die heute unumgängliche Einbindung privater Investoren und Projektentwickler dazu, dass IBAs wenig Visionäres und vor allem Marktgängiges produzieren? Und: Was bleibt, wenn die Fördertöpfe geleert, die Projektgesellschaften abgewickelt und die Kameras abgebaut sind? Kurzum: Brauchen wir überhaupt noch IBAs?
Gastredakteur dieser Debatte ist Claas Gefroi
Geb. 1968 studierte Claas Gefroi Architektur an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Er ist Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Hamburgischen Architektenkammer, Redakteur des „Jahrbuch Architektur in Hamburg“ und freier Architekturjournalist. Gefroi ist außerdem Mitglied der Kunstkommission der Behörde für Kultur, Sport und Medien Hamburg.
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wenn die IBA konzentriert Neues wagt und den Anspruch ernst nimmt, grundsätzlich zu hinterfragen und modellhaft zu experimentieren. Internationale Bauausstellungen haben bei ausreichender politischer Rückendeckung und angemessener finanzieller Ausstattung die Möglichkeit, jenseits etablierter Werte, Normen und Standards neue Ideen zu generieren und Energien und Ressourcen zu fokussieren. Diese oft als ‚Ausnahmezustand auf Zeit‘ beschriebene Möglichkeit bietet die Chance, komplexe Wandlungsprozesse in baulich-räumlicher und gesellschaftlicher Dimension innovativ zu gestalten.
In diesem Sinne versteht sich die gerade gestartete IBA Thüringen als ein ergebnisoffenes, zeitlich begrenztes Zukunftslabor. Die IBA sucht nicht nach schnellen Antworten und fertigen Lösungen, sondern versucht die „richtigen“ Fragen zu formulieren und innovationsauslösende Aufgabenstellungen zu entwickeln. Das Erforschen von räumlichen und thematischen Zukunftsfeldern muss in konkreten IBA Projekten nachvollziehbar werden.
Das Internationale, das die IBA im Namen führt, ist Verpflichtung. Jede IBA muss ihre Haltung aus dem Spannungsfeld von internationaler Strahlkraft und lokaler bzw. regionaler Einbettung entwickeln. Eine IBA verdient nur dann ihren Namen, wenn sie sich einerseits systematisch den Anregungen von außen öffnet und internationale Diskussionen und Lösungsmodelle in ihre Arbeit einbezieht und andererseits den Anspruch hat, auf international relevante Fragen Antworten zu formulieren.
Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup, Jahrgang 1956, ist Stadtplaner und seit April 2013 Geschäftsführer der IBA Thüringen. Er war zehn Jahre Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig (Stadtbaurat) und 2006 bis 2009 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Berlin. Lütke Daldrup ist Honorarprofessor an der TU Berlin und an der Universität Leipzig sowie Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste.
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