"Braucht die Biennale überhaupt Inhalte?"
Ja! 67%
Nein! 33%

© Jan-Eric Loebe / Die Luxusyacht Casino Royale in Venedig
Der Baumeister hat in seiner letzten Ausgabe gefragt, ob die Welt noch Biennalen braucht. Die Antworten handelten von allem möglichen – nur nicht davon, was für Inhalte eine Architekturausstellung eigentlich thematisieren sollte. Aber danach hatte Baumeister auch gar nicht gefragt. Vielleicht ist das spätsommerliche Get Together an der Lagune ja auch gar nicht für Inhalte gemacht. Von allen bisherigen Ausgaben hat es nur eine vermocht, einen damals neuen Blick auf die zeitgenössische Architektur zu erzeugen. Das war die erste Biennale, „Strada Novissima“, von 1980. Seitdem hat die Bedeutung der Inhalte stetig abgenommen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, in welchem Hauruckverfahren die Kuratoren bestimmt werden, und dass diese nur wenige Monate Zeit haben, ihr Orakel zur Lage der Architektur abzugeben.
Aber wer braucht diesen bedeutungstriefenden Hokuspokus eigentlich? Ist die Biennale für Architekten nicht längst, wie es Jürgen Mayer H. in seiner Antwort im Baumeister ausdrückte, „unser wichtigster Branchentreff“? Fahren wir nicht in Wirklichkeit nach Venedig, um jenen Hauch von Glamour, Dekadenz und Exklusivität zu spüren, den Architektur sonst nie hat? Es geht doch ums Sehen und Gesehen-Werden und die rituelle Selbstvergewisserung, Teil eines internationalen Netzwerkes zu sein. Und die innere Genugtuung, zum Kreis der Wichtigen zu gehören, bekommt man eben nur über die Logik der Verknappung – handverlesene Gästelisten, exotische Locations, sündhaft teure Hotels und im Idealfall auch noch die zeitliche Überschneidung mit den Filmfestspielen so wie in diesem Jahr. Das alles kann man nur in den Preview-Tagen bekommen, und genau deswegen wollen wir alle auch in dieser ersten Woche dabei sein, wenn „alle anderen“ auch da sind und nicht während der verkaterten Monate danach. Nicht zufällig schlägt die Biennale längst selbst Kapital aus diesem Trend, indem sie hochpreisige Sondertickets für die Preview Tage verkauft, die einst den Ausstellern und der Presse vorbehalten waren.
Warum also noch die Mär von der „Ausstellung für die breite Öffentlichkeit“? Und wozu noch Themen, wenn nicht als Lästerstoff für den Smalltalk? Vielleicht wäre die gesamte Veranstaltung in ihrer lustvollen Perversion aufregender, wenn wir ihre tatsächliche Dekadenz umstandlos bejahen würden.
Nein ...
Ja ...
Nein ...
Ja ...
Ja ...
Ja ...
Jein ...
Ja ...
“City: Less Aesthetics, more Ethics, Next, METAMORPH, Cities. Architecture and Society, Out There: Architecture Beyond Building, People meet in architecture” - Dies waren die Themen der letzten Architekturbiennalen – und dies die Direktoren: Fuksas, Sudjic, Forster, Burdett, Betsky oder Sejima. Alles schon vergessen? Wann war jene wunderbare Entdeckung von Wang Shus Tile Garden? Und wann fand die wunderbar sinnliche Welt von Studio Mumbai statt? Und der eigenartige Girls-Kosmos im japanischen Pavillon, war das vor oder nach den Otaku-Nerds? Und dann erst die Kunstbiennalen – da gab es im niederländischen Pavillon doch den betörenden Film von Fiona Tan, die dann im nächsten Jahr zur Architekturbiennale beauftragt wurde … Und wann war noch einmal die tiefgekühlte Space-Out Lounge von NL architects im Niederländischen Pavillon? Und die kühne Kommune im französischen, mit dem schwebenden Pool über dem Dach? Und die tschechischen Tattookünstler, deren Entwürfe live appliziert wurden, oder war das zur Kunstbiennale?
Im Chaos der Erinnerungen fällt die Zuordnung schwer, besonders, da die Website der Biennale keine Vergangenheit aufzeigt. Aber: die Persönlichkeit der Direktoren und seine/ihre subjektive Auswahl werden tatsächlich zu Fixpunkten der Erinnerung. So wird Sejimas Biennale noch jahrelang in Erinnerung bleiben - schöner wurde das Arsenale nie bespielt, selten war eine Auswahl so relevant. Fuksas‘ Erstbespielung der Seilerei mit der aufwändigen Videoleinwand, die alle ausgewählten Arbeiten ins Dunkel stellte. Betskys Großarchitekten mit ihren Installationen, wie der erste Lehmbau von Gehry. Sudjics Inflation von goldenen Bären, darunter der erste Preis für Plot, oder Burdetts Grafikskulpturen der Dichte … die Direktoren und ihre Eigenarten haben Bestand. Das sie ihrem Konzept ein Motto geben, ist da nur recht. Was hat Forster eigentlich gemacht?
Auf der anderen Seite muss man sich im Klaren sein, das die Ausstellungen in den Länderpavillonen nichts, aber auch gar nichts mit dem offiziellen Thema zu tun haben. Können sie gar nicht, denn das Thema kommt immer zu spät. Wenn es dann doch einmal passt, war es ein günstiger Zufall oder eine gelungene Aktion der PR-Mitarbeiter.
PS: Welcher deutsche Pavillon bleibt am prägnantesten in Erinnerung? Schlingensiefs Kirche und Gregor Schneiders Haus Ur, aber das waren beides auch wieder Kunstbiennalen.
Peter Cachola Schmal, geb. 1960, ist Architekt, Architekturkritiker und seit 2006 Chefkurator und Leitender Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM) in Frankfurt am Main.
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Andreas Ruby / 26.8.2012 / 16:55
Nein ...