„Ist Gentrifizierung wirklich sooo schlecht?“
Ja! 60%
Nein! 40%

Foto: dpa
Möglicherweise hätte das „BMW Guggenheim Lab“ dem Kreuzberger Standort an der Cuvrystraße, Ecke Schlesische Straße Hipness und damit die Aufwertung des Wrangelkiezes attestiert. Ein gelungener Presse-Coup war der Rückzug aus dem Gebiet aufgrund der Proteste und die Entscheidung, es am Pfefferberg anzusiedeln allemal.
Gentrifizierung ist der Inbegriff sozialer Ungerechtigkeit im urbanen Kontext. Die Kritik richtet sich gegen steigende Mieten und die folgende Verdrängung von alteingesessenen Bewohnern des betroffenen Stadtviertels. Sie kristallisiert sich nicht nur am „urbanen Wohnen“ im hochpreisigen Loft und Townhouse, auch Baugruppen sind mit der Schaffung von Wohneigentum in den Fokus der Gentrifizierungsgegner geraten. Auf der anderen Seite wird die Gentrifizierungskritik als konservative und entwicklungsfeindliche Bewegung dargestellt, deren Akteure sich mit dieser restriktiven Haltung gegen Veränderung stellen, die andere als eine Charaktereigenschaft von Stadt ansehen. Dabei sind Gentrifizierungsgegner meist selbst durch das von ihnen geschaffene kreative Milieu Ausgangspunkt von solchen Veränderungsprozessen.
Anscheinend verläuft die Grenze der Debatte mittlerweile quer zu den tradierten Klischees und den Bewahrern und Entwicklern: Ein CDU-Politiker ergreift Partei für eine schützenswerte Kneipenlandschaft und das Feindbild der Gentrifizierungsgegner, der Hausbesitzer, ist ein Migrant. Verkehren sich in der Gentrifizierunggsdebatte konservativ und progressiv? Wer ist gut und was ist böse und ist Gentrifizierung wirklich so schlecht?
Jein ...
Ja ...
Jein ...
Jein ...
Jein ...
Ja ...
Die öffentlich geförderte Aufwertung von Stadt- und Wohnquartieren wäre verfehlt, wenn sie lediglich zur Verbesserung der Lebensverhältnisse Bessergestellter dient und die vormaligen finanzschwächeren Bewohner vertreibt. Städtebau kann und muss einen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt der Stadtgesellschaft als Ganzes leisten.
Das u.a. in der Leipzig – Charta formulierte Leitbild der Europäischen Stadt fordert nicht ohne Grund besondere Aufmerksamkeit für benachteiligte Quartiere und sieht den sozialen Ausgleich als ein Grundprinzip nachhaltiger Stadtentwicklung an. Das ist in vielen strikt sozial gespaltenen und räumlich separierten Städten in anderen Teilen der Welt sehr anders, wo Gentrifizierung der Normalweg ist, auf dem sich soziale Ungleichheit räumlich manifestiert.
Stadtquartiere sind nur in Ausnahmefällen Verursacher, in der Regel jedoch die Austragungsorte gesellschaftlicher Konflikte. Stadterneuerung kann deshalb soziale Probleme nicht lösen, sehr wohl aber dämpfen. Deshalb ist jedwede Erneuerungs- oder Verschönerungsaufgabe hinsichtlich ihrer sozialen Wirkung zu bedenken. Das Zusammenstreichen des Programms "Soziale Stadt" ist vor diesem Hintergrund völlig unverständlich und in besonderem Maße anzuprangern.
Dr.phil. Dr.-Ing. Bernd Hunger, geb. 1953, Stadtplaner und Stadtsoziologe in Berlin, 1971-1975 Studium und 1978-1986 Assistent am Lehrstuhl für Stadtsoziologie an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar (HAB), 1987-1990 Abteilungsleiter am Institut für Städtebau und Architektur der Bauakademie der DDR, 1991-2007 Leiter und Inhaber der StadtBüro Hunger, Stadtforschung und –planung, seit 1999 Referent für Wohnungs- und Städtebau, Forschung und Entwicklung beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.
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