Problem Kaputtbesitzen: "Brauchen wir einen Gebäude-Tüv?"

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Im Dezember 2013 holte die Hamburger Polizei in einer nächtlichen Eilräumung etwa 90 Bewohnerinnen und Bewohner der sogenannten Esso-Häuser an der Reeperbahn aus ihren Wohnungen, weil Mieter eine Erschütterung wahrgenommen hatten und man die Standfestigkeit der Sechziger-Jahre-Häuser akut gefährdet sah. Die Räumung machte den Weg frei für den Abriss der umkämpften Gebäude und deren Neubebauung durch die Immobilienfirma, die das Areal fünf Jahre zuvor gekauft hatte. Die „Initiative Essohäuser“, in der Mieter und Nachbarn organisiert sind, hat den Vorbesitzern und den aktuellen Eigentümern attestiert „über Jahrzehnte nicht ausreichend in die Instandhaltung investiert” zu haben – und wirft den zuständigen Behörden vor, diese Form den “Kaputtbesitzens” nicht kontrolliert und verhindert zu haben.

 

Tatsächlich scheint sich das gezielte Verwahrlosenlassen von Immobilien gerade in wachsenden Metropolen durchaus zu lohnen: Statt in den vergleichweise günstigen Altbestand zu investieren, lassen Eigentümer die Häuser vergammeln, um schließlich feststellen zu lassen, dass eine Sanierung unwirtschaftlich wäre. Auch privatisierte Großsiedlungen in weniger gefragte Städten fallen heute als “Schrottimmobilien” bisweilen an die Kommunen zurück, weil internationale Finanzinvestoren ihre Bestände nicht gepflegt haben.

 

Zwar gibt es im Baugesetzbuch den § 177, der das „Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot“ regelt, demzufolge die Gemeinden die „Beseitigung von Misständen“ anordnen können und sollen. De facto fehlt es aber in den meisten Kommunen an Personal, Mitteln oder auch an politischem Willen, dieses Gebot gegenüber den Immobilieneigentümer durchzusetzen.  Die Frage ist: Brauchen wir, um die Altbestände unserer Städte vor dem Profitinteresse von Investoren zu retten, einen handlungsfähig und personell gut ausgestatteten Gebäude-Tüv, der überwacht, dass die Eigentümer ihrer Pflicht zur Instandhaltung nachkommen, statt auf einen profitablen Abriss zu setzen oder einfach die Mieten zu kassieren, ohne sich um die Pflege der Immobilien zu kümmern?

 

 

Diese Debatte ist Gastkuratiert von Christrioph Twickel, Journalist und Buchautor. Er hat die Hamburger »Recht auf Stadt«-Bewegung als Journalist begleitet, ist Mitinitiator und Sprecher von »Not In Our Name, Marke Hamburg« und Autor des Buches „GENTRIFIDINGSBUMS oder Eine Stadt für alle“. Zu weiteren Debatten-Beiträge von Christoph Twickel auf BKULT: "Können wir noch lebenswerte Stadtquartiere bauen?", „Brauchen wir noch IBAs?

 

 

Sven Silcher / 5.8.2019 / 16:22

Architekt i.R., Hamburg

Nein ...

NeinDeutschland ist grundsätzlich sicher nicht unterreguliert. Einen generellen Gebäude-TÜV in dem Sinne, dass in bestimmten Zeitabständen jedes Gebäude unter die Lupe genommen werden muss, und dann, wenn alles in Ordnung ist, eine wie auch immer geartete Plakette erhält, brauchen wir sicher nicht.Eine andere Sache ist die Durchsetzung bestehender Regulierungen wie z.B. des erwähnten § 177 Baugesetzbuch. Die Begründung “de facto fehlt es aber in den meisten Kommunen an Personal, Mitteln oder auch an politischem Willen, dieses Gebot gegenüber den Immobilieneigentümern durchzusetzen“ gehört nach gewöhnlichen Standards des Funktionieren des Staates in diesem unserem Lande ja wohl in den Bereich der Groteske, wenngleich es auch in der Europäischen Union Mitgliedsstaaten gibt, die so [nicht] funktionieren. Z.B. gibt es in einem Mitgliedsland der EU, weit im Südosten, seit Urzeiten das grundsätz­liche gesetzliche Verbot, in Waldgebieten zu bauen. Es wurde nie durchgesetzt, d.h. bei Verstößen dagegen pas­sierte nichts und so sind in einem Fall seit 1950 ganze Ortsteile illegal im Wald entstanden, mit Null Vorkehrungen gegen Notsituationen. Im Juli 2018 gab es bei entsprechender, das Entstehen von Bränden extrem begünstigender Wetterlage, katastrophale Waldbrände. Innerhalb weniger Stunden waren offiziell 100 Tote zu beklagen. In den fünf in dem Bereich betroffe­nen Orten hat man ca. 2.400 nicht mehr bewohn­bare Häuser gezählt, viele nicht mehr zu repa­rieren. Der Ort im Zentrum der Katastrophe wurde zu 98% zerstört und wird als nicht mehr bewohnbar angesehen. So viel zu „de facto fehlt es in den meisten Kommunen an Personal, Mitteln oder auch an politischem Willen“.Wenn also nach bestehender Gesetzeslage die Gemeinden „die Beseitigung von Mißständen” anordnen können, dann sind sie in jeder Hinsicht entsprechend so auszustatten, dass sie diese gesetzliche Aufgabe auch erfüllen können. Und Aufgabe erfüllen bedeutet in diesem Fall nicht nur, ein Haus gerade noch 12 Stunden vor dem Einsturz zu räumen. Das wäre dann gerade so viel Gebäude-TÜV, wie wir brauchen – und er ist eigentlich schon da. Und nach unserem Rechtsverständnis haftet eine Gemeinde dafür, wenn dadurch, dass sie eine Rechtsvorschrift nicht durchsetzt, ein Schaden eintritt.Beitrag / Kommentar
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Diana Wiedemann / 24.9.2015 / 17:01

Architektin, Innenarchitektin

Ja ...

Beitrag / KommentarAuch wenn die eigentliche Debatte zu diesem Beitrag bereits im Frühjahr letzten Jahres stattfand, möchte ich die Diskussion doch weiter fortsetzen. Denn zur Zeit findet tatsächlich in unseren Städten eine große "Bereinigung" statt - in der Form, daß gnadenlos abgerissen und die dann freien Grundstücke umso dichter bebaut werden. Dabei lassen "BGF und Partner" grüßen und das Buch "Größer, Höher, Dichter" kann nicht oft genug zum Lesen empfohlen werden.Wie ein Gebäude-Tüv organisiert werden könnte, ist nicht ganz so einfach, wie es einer der Diskutanten im Vergleich mit dem Auto-Tüv darstellt, da ein Gebäude nun mal immobil ist und so nicht zur regelmäßigen Kontrolle beim Gebäude-Tüv vorbeigebracht werden kann (auch nicht alle 10 Jahre). Doch ließe sich sicher ein gangbarer Weg finden, wenn das Interesse an der Einrichtung einer solchen Prüfstelle nur ausreichend vorhanden wäre.Doch hier ist von Seiten der Bundes- und damit auch der Landesregierungen keinerlei Interesse vorhanden. In Deutschland gibt es ca. 23 Mio. Gebäude (19 Mio. davon sind Wohngebäude - der Zensus ermittelt nur die Wohngebäude), die im Besitz von Hunderttausenden von verschiedenen Eigentümern sind. Damit gibt es keine einheitliche Lobby für die Bestandsgebäude. Dagegen gibt es die Bauindustrie und das Bauhandwerk, sowie alle direkt damit involvierten Bereiche, die einen großen Teil des Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften - und üblicherweise die Vertreter und Befürworter des Neubaus sind.So konnte es geschehen, daß in Deutschland (und Eu-weit!) das politische Ziel vereinbart wurde, daß bis zum Jahr 2050 der gesamte Gebäudebestand "fast Energie-neutral" sein soll. Dies bedeutet, daß alle Gebäude - sowohl Neubau als auch Altbau dem heutigen KfW-55-Niveau entsprechen muß. Leider sind nun aber 63 % der heutigen Gebäude vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1978 gebaut worden. Wer die Zahlen genau analysiert, kann nur schlußfolgern, daß geplant ist, daß im Lauf der nächsten Jahrzehnte alle alten Gebäude abgerissen werden sollen - mit allen Konsequenzen, die dies für die Baukultur und unseren historisch gewachsenen Städten haben wird.Für mich heißt dies: ein Gebäude-Tüv muß her, der verhindert, daß alte Gebäude abgerissen werden, weil jemand das Gebäude herunterkommen gelassen hat oder einfach behauptet, daß es nicht mehr sanierungsfähig ist. Ich würde mich als erstes melden, um die gefärdeten Gebäude - von mir aus auch ehrenamtlich - zu bewerten und dafür zu sorgen, daß sie geretttet werden.
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Christoph Twickel / 11.4.2014 / 16:36

Ja ...

Ja -einen Gebäude-Tüv könnten wir schon gebrauchen, wenn wir es ernstmeinen damit, dass unsere Altbau- und Nachkriegs-Bestände nicht massenhaft Opfer von kalkuliertem Verfall werden sollen. Die offensichtlich hoffnungslos unterbesetzte Wohnraumpflege ist ein Freibrief für hochspekulativen Umgang mit den günstigen und damit eben nicht so lukrativen Altimmobilien. Es mag sein, dass man sich auf eine solche neue Institution nicht verlassen sollte, wie viele der Experten in dieser Diskussion gewarnt haben. Vielleicht sollte sie deshalb stärker zivilgesellschaftlich verankert sein und sozusagen ein Bein in den Mieter/inneninitiativen haben, die aus eigener Betroffenheit ein Interesse an der Effektivität eines solchen Tüvs hätte – so würde ich das Plädoyer von Andrej Holm verstehen. Es mag auch sein - darauf hat Claas Gefroi hingewiesen – dass es nicht immer die Big Player der Immobilienbranche ist, die kaputtbesitzen - sondern oft auch der Einzelvermieter, der überfordert ist oder die zerstrittene Erbengemeinschaft. Aber was hilft's? Um nochmal den etwas strapazierten Vergleich zum KFZ-Tüv zu bemühen: Gottseidank kontrollieren die auch das Töfftöff vom überforderten Rentner. Gerade im Falle der Essohäuser auf dem Hamburger Kiez war es so ein nachlässiger, womöglich etwas unsortierter Einzeleigentümer, der das Areal hat verkommen lassen. Es mag zuguterletzt auch sein, dass es zur Zeit wirksamere Maßnahmen gegen das Kaputtbesitzen gibt: Holm erwähnt Mietminderungen und die Androhung von Ersatzvornahmen von Instandsetzungsarbeiten, Maximilian Vollmer spricht das Vorkaufsrechts gem. §§ 24 ff. BauGB an. Daniela Schneckenburger skizziert den „Abrissparagraphen“ im BauGB. All diesen Argumenten will ich mich nicht verschließen. Mir ging es mit der Debatte um den Gebäude-Tüv gegen spekulatives Verfallenlassen darum, überhaupt die Diskussion über eine Art Grundsicherung für die Wohnbestände zu diskutieren. Es ist vielleicht ein wenig wie mit dem bedingungslosen Grundeinkommen: Es mag auch bedenkenswerte Gründe dagegen geben - dennoch macht die Diskussion darüber eine Perspektive auf Arbeit und Auskommen auf, die bitter notwendig ist. Im Kern zielt meine Frage - wie sich in dieser Debatte herausgeschält hat - wohl auf die Frage, wie sich Immobilienbesitzer in einen Gesellschaftsvertrag zum verantwortungsvollen und gemeinnützigen Umgang mit Wohnungsbeständen bringen lassen. Denn mit Neubau allein wird sich in Deutschland die Wohnungsproblematik nicht lösen lassen.
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Steffen Jörg / 2.4.2014 / 11:55

Sozialarbeiter und Stadtteilaktivist

Jein ...

Von mir ein klares Jein. Das Beispiel der ESSO-Häuser macht dieses Jein sehr deutlich. Zwar gibt es in Hamburg ein ausreichend gutes Wohnraumschutzgesetz, das Eigentümer dazu verpflichtet ihre Immobilien instand zu halten. Allein der Bezirk müsste den politischen Willen haben, dies auch umzusetzen! Es gibt aber nur eine Stelle im Wohnraumschutz für ganz Hamburg, und die ist auch noch für Leerstand und Zweckentfremdung da. Das kann nichts werden, oder soll es sogar nichts werden? Zum anderen zeigt das Beispiel der ESSO-Häuser aber auch deutlich, dass Anzeigen durch die MieterInnen nur bedingt ausreichend sind. Bei den ESSO-Häuser ist der Zustand der Tiefgarage der kritische Punkt, und da gehen selten MieterInnen mit einem „fachgerechten“ Blick durch und überprüfen die Standfestigkeit. Es ist in meinen Augen ein Skandal, dass es möglich ist, Häuser ungestraft derart verkommen zu lassen, dass die BewohnerInnen und Gewerbetreibenden in einer Nach- und Nebelaktion aus den Häusern geräumt werden, mit all den traumatischen Auswirkungen.Die Aussagen von Herrn Gefroi finde ich in diesem Zusammenhang wenig hilfreich und zeugen von einer nur sehr oberflächlichen Beschäftigung mit der Thematik, wie dies leider von vielen betrieben wird. Insbesondere die Kostenfrage wird in der Regel immer wieder als „Sanierungsverhinderungs-Argument“ eingebracht. Kosten wurden aber in dieser Begutachtung nie ermittelt und sind nach Aussagen von Experten auch nur seriös ermittelbar, wenn weitere Untersuchungen getätigt würden. Dies zu leisten sind Eigentümer und Bezirk nicht willens! Und das geschieht auf Kosten der MieterInnen und des Stadtteils und vor dem Hintergrund der widerrechtlichen jahrzehntelangen Verwahrlosungsstrategie. Der von den Architekten Lacaton & Vassal transformierte Tour Bois-le Prêtre in Paris ist übrigens ein gebautes Manifest, das all die Argumente der Abriss sei alternativlos, Lügen straft.Und dass Herr Gefroi dem ganzen noch die Krone aufsetzt und das Problem des „Kaputtbesitzens“ in Hamburg einfach negiert, hat mich dann doch schon ziemlich befremdet. Sind denn all die in der Öffentlichkeit breit diskutierten Beispiele an ihm als Architekturfachmann vorüber gegangen? Was war denn mit „Rettet Elisa“, der Breite Straße, den Gagfah-Häusern in Wilhelmsburg und anderswo, der SAGA-Haus in der Turnerstr. (bei dem Mitglieder des Sanierungsbeirates sogar Enteignung forderten), der Bernhard-Nocht-Str., Langenhorn, Hegestr., … Sind das etwa auch alles nur Sonderfälle? Steffen Jörg ist Mitarbeiter der gemeinnützigen GWA St. Pauli und begleitet aktiv die „Initiative Esso Häuser“. Er ist einer der Macher des Films "Empire St.Pauli“, der einen wesentlichen Diskussionsbeitrag zum Thema Gentrifizierung geleistet hat, und Co-Autor einer Langzeitdokumentation über die Esso-Häuser.  
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Lorenz Brugger / 2.4.2014 / 11:51

Ja ...

Im Grunde gibt es ja laut Baugesetzbuch ja schon einen Gebäude TÜV... er ist nur nicht so klar definiert und wird nicht so rigoros durchgesetzt wie bei dem so beliebten Auto.Dabei ist die Zahl der Autos (ca. 43 Mio., http://www.kba.de/nn_125264/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/bestand__node.html?__nnn=true) um knapp das 2,3 fache höher als die Zahl der Wohngebäude (ca. 19 Mio. nach Zensus 2011) und dabei spricht man von einem funktionsfähigen und vorbildlichen Prüfung durch den Auto-TÜV. Der Prüfdienst schafft es also, 43 Mio. Autos zu prüfen, viele davon alle 2 Jahre... und wir reden hier von 19 Mio. Gebäuden, die offensichtlich nicht adequat geprüft werden... Hier stellt sich mir schon die Frage, warum es so etwas für Wohngebäude nicht in ähnlicher Form gibt. Natürlich, ein Wohngebäude hat keine so schnell verschlissenen Teile wie ein Auto, aber wir müssen ja nicht alle 2 Jahre das Gebäude untersuchen lassen, es reicht vielleicht alle 10 Jahre die Substanz zu prüfen. Ich denke mal, das würde weniger Geld kosten, als der Auto-TÜV heute kostet und man kann gewisse Kosten auf Mieter und Eigentümer abwälzen, schließlich sind sie für den Verschleiss der Gebäude auch mitverantwortlich. Eine grundsätzliche Untersuchung durch Beauftragte, die das Gebäude auf Herz und Nieren prüfen und im Anschluss offiziell als renovierungsbedürftig oder eben abrisswürdig bewerten, wäre meines Erachtens nach machbar. So hat es die jeweilige Gemeinde in der Hand, ob Gebäude abgerissen werden dürfen oder nicht, es würde spekulative Vorgänge vorbeugen bzw. sie steuern.Die Bewertung von Wohngebäuden durch unabhängige Fachleute gibt es heute ja schon, würde den Architekten aber bei dem gewaltigen Wohnungsbestand ein neues, großes Arbeitsfeld bescheren (es muss ja nicht unbedingt alles von der öffentlichen Hand bewältigt werden) und vor allem den Mietern eine sichere und verlässliche und rechtlich abgesicherte Aussage über die Substanz ihrer Wohnungen UND des gesamten Gebäudes geben und dem Eigentümer aufzeigen, was er für Möglichkeiten der Renovierung er hat oder ob er sogar die Möglichkeit des Abrisses hat. Nur, der Eigentümer alleine darf dies nicht willkürlich entscheiden, er muss dies mit den zuständigen Behörden abklären und den Mieter informieren und er muss, sofern es das Gutachten verlangt, das Gebäude erhalten. Ich meine, die Prüfung von Heizanlagen jedes Frühjahr wird ja auch nicht anders gehandhabt... warum also nicht auch für das gesamte Gebäude in seiner Grundsubstanz?
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Christoph Schäfer / 19.3.2014 / 0:41

Künstler, uneingeladener Stadtentwickler

Ja ...

JA...Hamburg hat im Bezirk Mitte anderthalb Stellen im (zahnlosen) Amt für Wohnraumpflege, der Senat hat einen Beauftragten für die Einführung, Beratung und Abwicklung von BIDs. Der Staat fördert mit der Bezahlung des Letzteren also die Privatisierung öffentlicher Räume durch die Immobilienbesitzer. Stattdessen bräuchte es ein Amt mit Durchsetzungskraft - oder eben einen von politischen Weisungen unabhängigen "TÜV", der die Geschäfte von "Investoren" lahmlegen kann, wenn die Ihrer Instandsetzungspflicht nicht nachkommen.
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Tascha Michalkowski / 18.3.2014 / 22:41

Nein ...

Würfelt ihr die Zahlen? Kommt jedesmal ein anderer Wert zustande. Mal 25:75 dann 14:76 dann irgendwelche andere Werte. Mal ehrlich, Ihr seid echt Spaßvögel.
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Claas Gefroi / 18.3.2014 / 20:44

Architekturkritiker und Blogger, Hamburg

Nein ...

Mutwilliges Herunterwirtschaften und Verfallenlassen von Wohnimmobilien ist ein Problem vor allem dort, wo Länder und Kommunen um des schnellen Geldes wegen im großen Stil den Bestand ihrer Wohnungsbaugesellschaften an Immobilienfonds veräußert haben, die einzig auf Rendite aus sind. Doch nicht alle Städte haben diesen Fehler gemacht, weshalb zum Beispiel in Hamburg, Berlin oder München Kaputtbesitzen kein Massenphänomen ist. Die hier als Kronzeuge aufgerufenen Esso-Häuser sind in Hamburg eher ein Sonderfall als ein Fallbeispiel. Zwar ist es ganz offensichtlich so, dass die langjährige Eigentümerfamilie die Häuser nicht instandhielt und so den Verfallsprozess beschleunigte, doch belegt ein von der Stadt Hamburg in Auftrag gegebenes Gutachten eben auch, dass die Bauweise der Gebäude selbst das größte Problem darstellt: Das Wohn- und Gewerbeensemble am Rande des Spielbudenplatzes ist, wie so viele Gebäude der Nachkriegszeit, möglichst ressourcensparend und rasch errichtet worden und besitzt keine statischen Reserven, um es zum Beispiel mit zusätzlichem Brand- und Schallschutz sowie Wärmedämmungen zukunftsfest zu machen. Die Bewehrungen sind zudem nur dünn von Beton überdeckt und werden so schnell angegriffen. Natürlich kann man auch solche von konstruktiven, technischen und handwerklichen Defiziten geprägte Gebäude durch immer neue Sanierungen instandhalten – es kostet nur erheblich mehr als bei Bauten anderer Epochen und man versetzt sie lediglich wieder in ihren problematischen Ausgangszustand, da grundsätzliche Modernisierungen nicht möglich sind. Wenn teure Erhaltungsmaßnahmen bei gleichzeitig eher geringen Mieterträgen selbst für große kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen kaum zu schultern sind: Wie soll dies ein einzelner Eigentümer, beispielsweise eine Erbengemeinschaft, bewerkstelligen? Ein Gebäude-TÜV könnte zwar (wenn die Allgemeinheit den großen finanziellen und organisatorischen Aufwand für eine solche neue Behörde leisten will) problematische Objekte rascher als bisher aufzeigen – die Ursachen für die Verwahrlosung löst er nicht. Und zu denen gehören nicht immer rein renditeorientierte, sondern oftmals einfach von ihren Immobilien überforderte Eigentümer. Statt also Geld für eine neue Bürokratie mit fragwürdigem Nutzen auszugeben, sollte es in die Forschung fließen, um Wege zu finden, wie die in ihrer Bausubstanz besonders schwierigen Wohnbauten der Nachkriegsjahrzehnte preiswert und dauerhaft zukunftsfit gemacht werden können. Claas Gefroi studierte Architektur an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Er ist Architekturkritiker und Blogger, Redakteur des „Jahrbuch Architektur in Hamburg“, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Hamburgischen Architektenkammer, Freier Autor u.a. für deutsche bauzeitung, Baumeister, Deutsches Architektenblatt, Bauwelt.
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Maren Harnack / 14.3.2014 / 18:13

Stadtplanerin und Architektin, FH Frankfurt

Nein ...

Kaputtbesitzen und Wohnungsknappheit sind Geschwister, die schon seit der Zeit der Industrialisierung gemeinsam auftreten. Schon im 19. Jahrhundert wurde über die unhaltbaren Zustände in den Slums von z.B. London geschrieben, und schon damals führte die erst Angst vor Seuchen oder weitreichenden Unruhen zu der Erkenntnis, dass der Markt dieses Problem nicht lösen würde – weil die Besitzer bestens an den Elendsunterkünften verdienten. Dabei operierten die Slumlords nicht im Untergrund, sondern waren mit der besseren Gesellschaft so gut vernetzt, dass noch 1971 allenfalls ein Künstler wie Hans Haacke es wagen konnte, diese Verbindungen offenzulegen. Als die Wohnungsproblematik noch so drängend war, dass sie die Mittelschicht betraf, war auch in Deutschland Konsens, dass es Aufgabe des Staates sei, „breiten Schichten der Bevölkerung“ zu sicherem, bezahlbaren und gesunden Wohnraum zu verhelfen. Die Förderpolitik, mit deren Hilfe dieses Ziel erreicht werden sollte, war sicher in mancher Hinsicht problematisch, aber sie hat immerhin dazu geführt, dass es einen Bestand an brauchbaren Wohnungen gab, die der öffentlichen Hand gehörten und nicht völlig der Logik des Marktes unterworfen waren. Und gegen diesen Bestand mussten auch diejenigen konkurrieren, die lieber den letzen Rest Kapital aus ihrem Immobilien schlagen wollten. Heute müssen auch die Wohnungsunternehmen in öffentlichem Besitz Rendite erwirtschaften, mit der an anderer Stelle Löcher in den kommunalen Etats gestopft werden und können so nur noch bedingt ausgleichend wirken. Auch in diesem Bereich nehmen Leerstände, Diskriminierung und Instandhaltungsrückstau in bedenklichem Maße zu. In innerstädtischen Lagen haben die Mieter von günstigem Wohnraum heute kaum noch Aussicht darauf, sich bei einem Wohnungswechsel nicht zu verschlechtern, was die Bereitschaft in vollkommen heruntergekommenen Häusern auszuharren sicher verstärkt. Und in entspannten Märkten finden sie möglicherweise keinen Vermieter, der nicht Vorbehalte gegenüber prekär Beschäftigten, Empfängern von Transferleistungen, Alleinerziehenden oder Migranten pflegt und seine Wohnung im Zweifel lieber leerstehen lässt. Ob ein Gebäude-Tüv denjenigen helfen kann, deren Vermieter ihre Immobilien verlottern lassen, ist also fraglich. Aber es gibt viele andere Instrumente, die Hausbesitzer zu einem nachhaltigeren Umgang mit ihren Immobilien anregen könnten: von bei einer strengen Zweckentfremdungsverordnung bis zu einer Grundsteuer, die Leerstand bestraft, ist vieles denkbar. Das alles bringt jedoch nichts, wenn den Kommunen das Personal und das Geld für die Umsetzung fehlt – auch das klang ja in der Frage schon an. Maren Harnack, Dr.-Ing., studierte Architektur, Stadtplanung und Sozialwissenschaften in Stuttgart, Delft und London. Seit 2011 ist sie Professorin für Städtebau an der Fachhochschule Frankfurt am Main und arbeitet daneben als freie Stadtplanerin, und freie Architektin, sowie in zahlreichen Forschungsprojekten.
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Monika M. Rösler - PPM AG / 14.3.2014 / 11:54

Nein ...

Da wir in Deutschland bereits einen kaum noch zu überschauenden Dschungel von Regularien haben, ist besondere Vorsicht geboten, beim Auftreten und Wahrnehmen von Fehlentwicklungen sofort nach neuer "Überwachung" zu rufen.Es erscheint sinnvoll, erst einmal zu unterscheiden, welche Gebäudetypen in welcher Form (Einfamilien/Mehrfamilien/Komplexe) und Lage (dörflich, kleinstädtisch, Großstadt, Hip/Flop etc.) Immobilien bereits Probleme darstellen oder in Zukunft darstellen werden. In Frankfurt/M., nahe des Messegeländes, und damit sehr urban gelegen, entstehen gerade im sogenannten Europaviertel "moderne" Wohnmaschinen in Form von recht teuren Eigentumswohnungsanlagen. Das Viertel wirkt heute schon merkwürdig anonym und man mag sich kaum vorstellen, nachts hier alleine und zu Fuß unterwegs zu sein. Ein Gebäude-TÜV würde hier nur grüne Haken setzen (ist ja alles neu, ganz nach Vorschrift und auch noch im Einklang mit aktuellen energetischen Vorgaben). Trotzdem wage ich die Prognose, dass sich das Viertel bereits in 10 Jahren als Problem behaftet darstellen wird und in zwanzig Jahren massiven Handlungsbedarf zeigt.Ich möchte mit diesem Beispiel die Aufmerksamkeit ein wenig darauf lenken, dass Immobilien keinen Selbstzweck darstellen, sondern ausschließlich ihren Stellenwert - und damit auch ihren materiellen Wert - dadurch erhalten, dass Menschen damit einen Nutzen - auch einen potenziellen - verbinden, wollen und auch müssen.Wir leben in einer Gesellschaft, die eine immer größer werdende Facettierung von Lebensumständen und Lebensstilen hervorbringt, die unmittelbare Reflektion in nachgefragtem oder nicht nachgefragtem Wohnraum, ja durchaus auch gewerblichen Räumen, finden. Abgewirtschaftete und herunter gekommene Bausubstanz entsteht immer dort, wo es zuvor niemandem (Besitzern und Mietern) attraktiv genug erschien, seine Nachfrage aktiv zu platzieren. Kommunalverwaltungen haben bisher viel zu gerne in Neubauflächen "investiert", als sich mit der vorhandenen Bausubstanz aktiv auseinander zu setzen. Viele Dorf-/Stadtkerne bröckeln förmlich vor sich hin und zwar ohne, dass hier Großinvestoren involviert wären, die Richtung Abrissgenehmigung steuern würden, um dann lukratives Neubauen anzustreben. Natürlich haben Großstädte, in denen es eine starke Nachfrage nach kostengünstigem Wohnraum in möglichst zentraler Lage gibt, scheinbar hier eine andere Situation. Aber nur vordergründig betrachtet. Es ist zwar nachvollziehbar, dass jeder Marktteilnehmer versucht, optimalste Konditionen für sich zu realisieren, das gilt aber gleichermaßen für Individuen genauso, wie für Institutionen jeder Art.Nocheinmal möchte ich das Rhein-Main-Gebiet als Beispiel einbringen. Von Hanau/Offenbach im Osten bis Wiesbaden/Rüdesheim im Westen, von Darmstadt/Heppenheim im Süden, bis Limburg/Wetzlar im Norden finden wir extrem unterschiedliche Situationen vor. Frankfurt möchte aus Imagegründen endlich den 700.000 Einwohner begrüßen und baut "was das Zeug hält" (und meines Erachtens völlig blind darauf los). Wiesbaden gibt sich "fein" und steht mehr auf dem Standpunkt, dass man es sich schon leisten können muß, hier zu wohnen. Darmstadt verfolgt sein Ideal als  doch eigentlich ganz unabhängige "Metropole", die nicht wirklich mit dem Rest etwas zu tun hat und Offenbach versucht sich gegen den ungebliebten Frankfurter Nachbarn von seinem Schmuddel- hin zu einem Hipp-Standort zu mausern. Dazwischen kämpft jede einzelne Kommune gegen den Rest und dies spiegelt sich unmittelbar in der Beliebtheit, der Nachfrage und damit dem (temporären) Preis-Leistungsverhältnis des angebotenen und nachgefragten Immobilienbestandes. Das Intermezzo spielt sich auf einer Fläche ab, die insgesamt in Hinblick auf die Ausdehnung von wirklichen Metropolen immer noch als Winzling betrachtet werden muss. Echte Koordination? NULL!  Auswirkungen? Gravierend! Kann da ein GebäudeTÜV helfen? Nein!   
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Daniela Schneckenburger / 13.3.2014 / 18:18

Politikerin, NRW

Ja ...

Schimmel an den Wänden, defekte Aufzugsanlagen, kaputte Heizungen,  Verkehrsgefährdungen durch defekte Fassaden – viele MieterInnen, die eine Wohnung in einem funktionierenden Haus angemietet haben, das dann durch mangelnde Instandhaltung systematisch abgewirtschaftet wurde, kennen diese Probleme. In NRW waren es meist international agierende Immobilienfonds, die Wohnungen im großen Maßstab aufgekauft haben und nun versuchen, mit minimalen Investitionen maximale Rendite zu erreichen. Der Landtag in NRW hatte darum eine Enquetekommission eingerichtet, die sich mit dem Problem näher beschäftigt hat. Begünstigt wird diese Praxis nach Feststellung der Kommission dadurch, dass insbesondere EmpfängerInnen von SGBII-Leistungen in solchen Wohnungen nur sehr begrenzt ihre Mieterrechte  wahrnehmen und durch Mietminderungen notwendige Instandhaltungen erzwingen,  da sie selbst nicht von Mietminderungsprozessen profitieren. Abgesehen von der politischen Problematik, nämlich der dadurch entstehenden indirekten Subvention dieser Geschäftspraktiken, verknappt sich durch den Trading-down-Effekt in diesen überwiegend einfachen Wohnungsbeständen das Angebot für preiswerten, qualitativen Wohnraum und verschärft die Versorgungskonflikte in nachgefragten Stadtquartieren. Folge: Steigende Mieten, Verlust bezahlbaren Wohnraums. NRW setzt derzeit die Empfehlung der Kommission zur Verschärfung der Wohnungsaufsicht in einem neuen Gesetz um. Damit soll eine schnellere Anordnung von Unbewohnbarkeit, sowie eine umfangreichere Sanktionierung von Missständen ermöglicht werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Wohnungsaufsicht - also quasi ein Gebäude-TÜV - auch wirklich von den Städten  mit ihren Wohnungsämtern wahrgenommen wird und sie, wie in der Vergangenheit üblich, dies auch personell gewährleisten.  Als weitergehende Maßnahme hat die Kommission vorgeschlagen, das Baugesetzbuch (BauGB) so zu ändern, dass der Abriss nicht mehr sanierbarer Gebäude unter der Kostenbeteiligung der Eigentümer angeordnet werden kann. Eine entsprechende Änderung des sog. „Abrissparagraphen“ im BauGB ist inzwischen auf Initiative der Länder im Bundestag beschlossen worden. Im Bereich des Mietrechts (BGB)  hat die Kommission die Erweiterung der Verbandsklagebefugnis für Mietervereine und die Einführung kollektiver Mieterrechte bzw. die Einführung einer Mietermitbestimmung, z. B. durch Mieterbeiräte, vorgeschlagen. Es gibt also Instrumente, mit denen die Länder und Städte handeln können gegen „Problemimmobilien“ – vorausgesetzt, der politische Druck ist da, zu handeln.  Daniela Schneckenburger, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion B90/ DIE GRÜNEN im Landtag NRW, Vorsitzende der Enquetekommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel und Neue Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW“
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Maximilian Vollmer / 13.3.2014 / 12:19

TU Kaiserslautern, FG Stadtumbau + Ortserneuerung

Jein ...

Neben einer notwendigen Novellierung des rechtlichen Instrumentariums mit dem Ziel der Stärkung der kommunalen Handlungsoptionen erfordert es seitens der Kommunen vor allen Dingen eins: Den unbedingten politischen Willen, sich diesen Fällen der bewussten Verwahrlosung zu stellen und mit allen Mitteln dagegen vorzugehen. Die Aufgabe der Kommune muss es in diesem Kontext sein, entgegen der reinen ertragsorientierten Bewirtschaftungsstrategie der Finanzinvestoren den sozialen und mitunter auch baukulturellen Wert der Immobilien hervorzuheben und zu schützen.Vor diesem Hintergrund bedarf es Mittel, den Druck auf entsprechende Eigentümer zu erhöhen. Dieser kann (wie im Beitrag von Andrej Holm beschrieben) von Seiten der Bewohner kommen, aber auch die Kommune hat die Möglichkeit, das finanzwirtschaftliche - ausschließlich durch das Streben nach schneller und maximaler Rendite getriebene – Treiben zu erschweren. Einige wenige Kommunen, die durch einen entsprechenden öffentlichen Druck seitens der Bewohnerschaft getrieben wurden, zeigen hierbei erste Erfolge. Etwa wenn durch den Einsatz des Vorkaufsrechts gem. §§ 24 ff. BauGB das „Durchhandeln“ von Immobilien verhindert wird. Oder aber wenn Unterlassungen des Eigentümers (fiskalischer oder bauordnungsrechtlicher Natur) unmittelbar dazu genutzt werden, den Eigentümer zu kontaktieren, auf seine Verpflichtungen aufmerksam zu machen und bei ausbleibender Reaktion entsprechende Zwangsgelder zu verhängen. Dieses Vorgehen ist mit der Idee verbunden, die vermeintlich bequeme Situation des Eigentümers, die durch stabile Einnahmen bei gleichzeitiger Desinvestition geprägt ist, zu stören und damit die Attraktivität einer solchen Bewirtschaftungsstrategie zu schmälern.Diese kurz skizzierten Handlungsoptionen sind sicherlich nicht stark genug, um die vorherrschende Verwertungslogik vieler Investoren zu durchbrechen, zeigen aber auf, wie es Kommunen mit entsprechendem Willen schaffen, zumindest ansatzweise gegen die um sich greifende Problematik der sogenannten Schrottimmobilien vorzugehen. Über kurz oder lang führt jedoch kein Weg daran vorbei, die Position der Kommunen in diesem Kontext zu stärken. Die Gesetze hierfür sind in Teilen bereits vorhanden, deren Anwendung ist vielen Kommunen aufgrund ihrer finanziellen und personellen Ausstattung jedoch kaum möglich. Ein wohl größerer Hinderungsgrund dürfte die Tatsache sein, dass vielen Kommunen schlicht und ergreifend der politische Wille fehlt, eine härtere Haltung gegenüber den Immobilieneigentümern einzunehmen und damit möglicherweise abschreckend auf neue Investoren zu wirken. Solange diese Haltung vorherrschend ist, wird wohl auch die Einführung eines Gebäude-TüVs keine tiefgreifende Veränderung bringen.
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Franz Huber / 12.3.2014 / 18:55

Nein ...

Wir haben schon genug sinnlose Bürokratie !Bestehende Gesetze müssen nur konsquent anwandt werden !Anreize & Konsequenz statt Bürokratie.  
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Andrej Holm / 11.3.2014 / 16:20

Sozialwissenschaftler, Berlin

Nein ...

Die Schrottimmobilien der Finanzinvestoren und das gezielte Herunterwirtschaften für die Abrissgenehmigung sind kein Marktversagen, sondern die Konsequenz einer ertragsorientierten Bewirtschaftung. Was fehlen sind nicht Standards und Regeln, sondern eine Strategien, diese Verwertungslogik zu durchbrechen.Vor allem institutionelle Anleger setzen auf kurze Umschlagzeiten des eingesetzten Kapitals und spekulieren auf den gewinnbringenden Weiterverkauf der Bestände. Finden sich keine Käufer, setzen die Bestandshalter wider Willen oftmals auf Strategie der Desinvestition: Abläufe werden rationalisiert, Personal wird eingespart und Instandhaltungsausgaben heruntergefahren. Ein lohnendes Geschäft, denn die Einnahmen werden letztendlich vom Staat garantiert. Während ökonomisch solvente Haushalte in bessere Wohnungen ziehen, lenken die Bemessungsgrenzen für die Kosten der Unterkunft die Betroffenen in die herunter gekommenen Bestände der modernen Slumlords. Und nicht nur das: Mit den staatlich festgelegten Bemessungsgrenzen wird faktisch eine  Mietuntergrenze gesetzt. In guten Lagen ein doppelt lohnendes Geschäft, denn nach dem Geschäft mit der Vernachlässigung locken Abrissgenehmigungen und teuere Neubauten. Wie immer muss der Gebrauchswert des Wohnens den Verwertungslogiken abgetrotzt werden. Wirksamer als staatliche Auflagen und Kontrollen erscheinen mir die konsequente Durchsetzung von Mietminderungen und die Androhung von Ersatzvornahmen von Instandsetzungsarbeiten. Ersatzvornahmen umfassen nach § 536a Abs. 2 BGB die Beseitigung eines Mangels durch den Mieter auf Kosten des Vermieters. Progressive Stadtverwaltungen könnten hier durch Beratungsangebote und einen Mängelbeseitigungsfonds auch Haushalte ohne finanzielle Ressourcen in die Lage mündiger Mieter/innen versetzen. Die Mieterinitiative Kotti & Co. in den  Sozialbauten der  privatisierten GSW am Kottbusser Tor in Berlin Kreuzberg wollten nicht warten bis sich die politische Klasse der Stadt zu einer sozialen Wohnungspolitik durchringt. In Reaktion auf eine Mieterhöhung haben sie hausweise Mietminderungsberatungen organisiert und nun kollektiv dutzende Mietminderungserklärungen bei der GSW abgegeben.  Andrej Holm, Sozialwissenschaftler an der Humboldt-Universität Berlin, forscht seit vielen Jahren zum Thema Gentrifizierung und Stadtentwicklung und bloggt dazu auf http://gentrificationblog.wordpress.com/.
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Elisabeth Merk / 11.3.2014 / 16:14

Architektin und Stadtbaurätin von München

Ja ...

In München besteht die große Herausforderung der Stadtentwicklung seit Jahrzehnten darin, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu sichern. Da München nach wie vor von einer hervorragenden Wirtschaftslage profitiert, ist mittelfristig weiter mit Zuzug und damit Wohnraumbedarf zu rechnen. Das wesentliche Handlungsfeld bei der Suche nach weiteren Entwicklungsflächen für Wohnungsbau ist die Umstrukturierung gewerblicher und militärischer Bestandsgebiete. Doch sowohl die Aufgaben der Energiewende als auch die des Wohnraumbedarfs werden in München nicht zu lösen sein, ohne sich mit dem baulichen Bestand zu befassen. Dass die Neubaupotenziale in München besonders auch in bereits bebauten Bereichen generiert werden, zeigt die Abbruchquote in München, die etwa viermal so hoch wie im Bundesdurchschnitt ist. Dabei kommt es auch vor, dass der Verwertungsdruck schon vor Erreichen des Lebenszyklusendes von Gebäuden zu Abriss und Neubau führt. Ein bewusstes  Herunterwirtschaften mag in Einzelfällen vorkommen, ist als Münchner Trend allerdings nicht belegt. Im Fall der Fälle stünden wir aber nicht wehrlos da durch die grundsätzliche Instandhaltungspflicht nach Artikel 3 der Bayerischen Bauordnung. Wann allerdings beim Gebäudeunterhalt die Grenze zur Verwahrlosung überschritten ist, ist öffentlich-rechtlich schwer zu definieren. Auch fehlt das Personal in den Bauaufsichtsbehörden, um gegebenenfalls frühzeitig eingreifen zu können. Schlagkräftiger ist das Mietrecht, das den Vermieter anhält, während der Mietzeit die Mietsache in gebrauchsfähigem Zustand zu halten. Die mietrechtlichen Sanktionen greifen hier stärker durch als das öffentliche Baurecht, das zunächst eine Gefahrenlage voraussetzt, um eingreifen zu können. Gegen Leerstand und ungenehmigte Umnutzung ist in München zudem die Zweckentfremdungsverordnung wirksam. Erhaltungssatzungen und Sanierungsprogramme schützen Gebäude und Bewohnerschaften in den Bestandsquartieren, durch Fortschreibung der Kriterien baut München diesen Schutz kontinuierlich aus. Ein privater Gebäude-TÜV wäre insofern eher als ergänzendes mietrechtliches Element im Sinne einer Zertifizierung vorstellbar. Die Wohnungspolitik in München macht sich dafür stark, dass die Eigentümerinnen und Eigentümer Verantwortung gegenüber der Mieterschaft übernehmen. Dazu gehört, dass Gebäude nicht heruntergewirtschaftet oder zu Spekulationszwecken leerstehen gelassen werden. Ein Gebäude-TÜV, der dabei hilft und die bestehenden Instrumente ergänzt oder unterstützt, wird daher aus Münchner Sicht begrüßt.  Prof. Dr. Elisabeth Merk ist Stadtbaurätin von München, die studierte Architektin und Honorarprofessorin der Hochschule für Technik in Stuttgart leitet das Referat für Stadtplanung und Bauordnung seit 2007.
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Maximilian Vollmer / 13.3.2014 / 12:19

TU Kaiserslautern, FG Stadtumbau + Ortserneuerung

Jein ...

Neben einer notwendigen Novellierung des rechtlichen Instrumentariums mit dem Ziel der Stärkung der kommunalen Handlungsoptionen erfordert es seitens der Kommunen vor allen Dingen eins: Den unbedingten politischen Willen, sich diesen Fällen der bewussten Verwahrlosung zu stellen und mit allen Mitteln dagegen vorzugehen. Die Aufgabe der Kommune muss es in diesem Kontext sein, entgegen der reinen ertragsorientierten Bewirtschaftungsstrategie der Finanzinvestoren den sozialen und mitunter auch baukulturellen Wert der Immobilien hervorzuheben und zu schützen.

Vor diesem Hintergrund bedarf es Mittel, den Druck auf entsprechende Eigentümer zu erhöhen. Dieser kann (wie im Beitrag von Andrej Holm beschrieben) von Seiten der Bewohner kommen, aber auch die Kommune hat die Möglichkeit, das finanzwirtschaftliche - ausschließlich durch das Streben nach schneller und maximaler Rendite getriebene – Treiben zu erschweren. Einige wenige Kommunen, die durch einen entsprechenden öffentlichen Druck seitens der Bewohnerschaft getrieben wurden, zeigen hierbei erste Erfolge. Etwa wenn durch den Einsatz des Vorkaufsrechts gem. §§ 24 ff. BauGB das „Durchhandeln“ von Immobilien verhindert wird. Oder aber wenn Unterlassungen des Eigentümers (fiskalischer oder bauordnungsrechtlicher Natur) unmittelbar dazu genutzt werden, den Eigentümer zu kontaktieren, auf seine Verpflichtungen aufmerksam zu machen und bei ausbleibender Reaktion entsprechende Zwangsgelder zu verhängen. Dieses Vorgehen ist mit der Idee verbunden, die vermeintlich bequeme Situation des Eigentümers, die durch stabile Einnahmen bei gleichzeitiger Desinvestition geprägt ist, zu stören und damit die Attraktivität einer solchen Bewirtschaftungsstrategie zu schmälern.

Diese kurz skizzierten Handlungsoptionen sind sicherlich nicht stark genug, um die vorherrschende Verwertungslogik vieler Investoren zu durchbrechen, zeigen aber auf, wie es Kommunen mit entsprechendem Willen schaffen, zumindest ansatzweise gegen die um sich greifende Problematik der sogenannten Schrottimmobilien vorzugehen. Über kurz oder lang führt jedoch kein Weg daran vorbei, die Position der Kommunen in diesem Kontext zu stärken. Die Gesetze hierfür sind in Teilen bereits vorhanden, deren Anwendung ist vielen Kommunen aufgrund ihrer finanziellen und personellen Ausstattung jedoch kaum möglich. Ein wohl größerer Hinderungsgrund dürfte die Tatsache sein, dass vielen Kommunen schlicht und ergreifend der politische Wille fehlt, eine härtere Haltung gegenüber den Immobilieneigentümern einzunehmen und damit möglicherweise abschreckend auf neue Investoren zu wirken. Solange diese Haltung vorherrschend ist, wird wohl auch die Einführung eines Gebäude-TüVs keine tiefgreifende Veränderung bringen.

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Dagmar Hotze / 14.3.2014 / 12:38

Nein ...

Sehr treffend beschrieben, Herr Vollmer. Dem ist nichts hinzuzufügen.Um dem politischen Willen zur Durchsetzung etwas "auf die Sprünge zu helfen", sollten Bürger und Architekten öffentlich Alternativkonzepte aufzeigen. Was hindert einen denn im Zeitalter des Internets daran, für eine Immobilie bzw. ein Grundstück ein neues Nutzungskonzept öffentlich aufzuzeigen und zu diskutieren - ob man nun Eigentümer ist oder nicht. Druck ist wichtig - und den könnte man so vielleicht erzeugen.Häufig haben doch weder Investoren noch die Öffentliche Hand schlüssige Nutzungskonzepte. Warum also nicht eine Art "zivilen Ungehorsam" üben und sagen: So, hochverehrtes Publikum, gemeinsam haben Architekten und Bürger sich ein Konzept überlegt, das allen zu Gute kommt. Und gleich eine Art "Bauschild" vor das Objekt gestellt. Das wäre doch mal was! Durch das Aufzeigen von Lösungen Fakten schaffen.Mit besten GrüssenDagmar Hotze  
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