"Braucht Architektur eine Frauenquote?"
Ja! 65%
Nein! 35%
(for the English Version please scroll down)
Kürzlich hat der Vorsitzende der Pritzker-Preis-Jury 2013 Lord Peter Palumbo im Namen der Jury eine über 18.000 Stimmen starke Online-Petition zurückgewiesen, nachträglich Denise Scott Browns Anteil an Robert Venturis Werk zu würdigen. Man könne Juryentscheidungen nicht rückwirkend ändern. Scott Brown hatte sich zuvor selbst kritisch darüber geäußert, daß 1991 ihr Partner Robert Venturi allein mit dem Preis ausgezeichnet wurde. Auch wenn ihre Äußerung in Richtung der Würdigung von Teamwork abzielte, scheint die Ehrung an den Frauen vorbeigereicht zu werden. 2012 wurde der Pritzker Preisträger Wang Shu gekürt - ohne seine Partnerin Lu Wenyu. Nicht, daß die Teilnahmebedingungen des Preises unverhandelbar währen: 2010 wurde mit der Verleihung des „Nobel-Preises der Architektur“ an Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa bereits zum zweiten Mal eine Ausnahme gemacht und nicht nur eine Einzelperson geehrt - jedoch genoss Kazuyo Sejima bereits größere Bekanntheit als ihr männlicher Partner.
Sei es Legos Produktlinie für Mädchen oder das generische Femininum an Universitäten – die Fragen, wie und ob man der Gleichstellung von Männern und Frauen gerecht werden kann, löst aktuell im Netz im Bezug auf diverse Lebensbereiche leidenschaftlich Diskussionen aus, an denen sich auch Architektinnen und Architekten beteiligen. Letztendlich geht es dabei um die Chancengleichheit von Frauen in ihrer beruflichen Verwirklichung. Abgesehen von den geringen weiblichen Besetzungen haben Frauen einen durchschnittlichen Stundenlohn, der 22% unter dem ihrer Kollegen liegt. Ähnlich verhält es sich beim Gehalt von Architektinnen. (lt. Analyse der Gehaltsstruktur der angestellten Mitglieder der Architektenkammern der Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen). Dabei haben in den letzten Jahren mehr Frauen als Männer das Architekturstudium abgeschlossen (Quelle: Destatis). In der Berufspraxis dreht sich dieses Verhältnis dann um. Nur 28,5 % der 105.408 in der Bundesarchitektenkammer registrierten Hochbauarchitekten sind weibliche Mitglieder. Darüberhinaus liegt der Frauenanteil der Freischaffenden unter einem Viertel. An den Hochschulen machen die weiblichen Stellenbesetzungen bei Professuren in den Ingenieurswissenschaften gerade mal 9% aus (Destatis). Und auch was die Berufsständische Vertretung angeht, sieht es mit zwei Frauen unter 16 Präsidenten der Länderkammern ebenfalls mau aus.
Begründet wird dieses Missverhältnis von Frauen und Männern im Architektenberuf meistens mit Arbeitsstrukturen, die in höheren Positionen kaum die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zulassen. Frauen in der Architektur schaffen es also kaum, ihrer Qualifikation gemäß zu arbeiten und weil sie in der Minderheit sind, haben sie auch keine richtige Lobby. Sicherlich gibt es auch einige sehr erfolgreiche Architektinnen, mag man dagegen halten. Meistens sind es jedoch die Lebenspartnerinnen von Architekten, die wahrgenommen werden. Wie viele „alleinstehende“ Stararchitektinnen fallen einem schon ein jenseits von Zaha Hadid? Während in anderen Wirtschaftsbranchen lange schon über freiwillige Selbstverpflichtungen diskutiert wird (Beispiel Telekom), scheint es in deutschen Architekturbüros keinen Handlungsbedarf zu geben. Sind Architektinnen selbst schuld, weil sie ihre Rechte nicht offensiv genug einfordern? Haben Sie Angst, in der bei den Kollegen unbeliebten Emanzenecke zu landen? Ist es sogar besser, alles auf die Architektur zu setzen, anstatt sich für Gleichberechtigung einzusetzen, so wie Regine Leibinger, die sagt: “Ich bin kein Fan der Frauenquote, was zählt, ist gute Architektur.” (Morgenpost 28.12.11)? Oder sind die strukturellen Bedingungen der Architektur prinzipiell frauenfeindlich? Und wenn ja, gibt es noch Alternativen diese Strukturen aufzuweichen jenseits einer verordneten Quotenregelung?
"Does architecture need a quota for women?"
Lord Peter Palumbo, the current chair of the Pritzker Prize, and the 2013 Pritzker jury recently rejected an online petition to retroactively acknowledge Denise Scott Brown’s role in Robert Venturi 1991 Pritzker Prize. The petition, which received over 18,000 signatures, followed an address delivered by Scott Brown earlier this year, in which she criticized the 1991 Prizker Prize committee’s decision to recognize only her partner Robert Venturi. Scott Brown argued that their work was collaborative and that teamwork in architecture should be honoured. Lord Palumbo claimed simply that a jury’s decision cannot be changed retroactively. The Pritzker Prize, however, has a history of excluding women. Last year, for instance, Wang Shu, of Amateur Architecture, won the prize. Amateur Architecture’s female partner, Lu Wenyu, was not acknowledged. The reason given for this omission is that, traditionally, the prize is only awarded to an individual. However, the so-called “Nobel Prize of Architecture“ has been awarded to a team twice: Jacques Herzog and Pierre de Mueron in 2001 and to Kazuyo Sejima and Ryue Nishizawa in 2010. We suspect that, in the latter case, the joint prize was awarded partially because Kazuyo Sejima was more known than her male partner.
The questions of how and if gender equality can be achieved involve many areas of life; it’s a topic that’s passionately discussed in the media. Architects are also participating in this discussion. In architecture, the debate centers on leveling the playing field for men and women to pursue their professional careers. Numbers show that women are not faring as well in the profession as their male counterparts: only 28% of the 105, 408 registered members in the German Federal Chamber of Architects are female, even though, in recent years, more women than men have graduated from architecture schools. Additionally, only one quarter of freelance architects working in Germany is female. Women are underrepresented among the top positions in architecture firms; they also earn about 20 % less than their male colleagues in Germany (German Chamber of Architects). Female representation among German university professors is even worse: only 9% of the chairs in engineering and architecture departments are occupied by women (Source: Destatis). Only two of the sixteen German State Chambers of Architects are presided over by women.
Many blame the gap between men and women in the field on the profession’s working conditions, which make it difficult to juggle family commitments with professional ones. As a minority, women also do not have a good lobby to champion their needs and secure proportional representation. There are some successful female architects, but they often work in husband-and-wife teams or in greater partnerships. How many “single” female architects can the average person name, other than Zaha Hadid?
In business, a voluntary commitment to increase the number of women in leading positions has been widely discussed and even recently introduced (for example, by the Deutsche Telekom). Enforcing a quota for women, however, does not seem as urgent an issue in the architecture profession. Are women in architecture to blame because they do not fight aggressively enough for their position? Are they afraid of being seen as latter-day suffragettes? The successful German architect Regine Leibinger of Barkow Leibinger has said: “I’m not a fan of a women’s quota. What counts is good architecture.” (Source: Morgenpost 28.12.11). Is it better for female architects to concentrate on the outcome of their work rather than on their position? Or are working conditions in architecture too discriminatory for architecture to become a meritocracy of talent and effort ? If yes, are there alternatives, other than a mandatory quota, to support equal opportunities for women and men?
Statements in English are welcome!
Ja ...
Jein ...
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Ja ...
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Resümee
Die Debatte zur Frauenquote war die erfolgreichste Debatte auf BKULT seit dem Start der Plattform vor einem Jahr. Nie zuvor gab es so viele Beiträge auf der BKULT-Homepage, und auch auf unserer Facebookseite wurde leidenschaftlich und kontrovers diskutiert.
Auffällig ist, dass die meisten der Statements auf der Homepage von Frauen sind. Auf Facebook diskutieren hingegen mehrheitlich Männer, An der Frage der Frauenquote scheiden sich die Geister aber geschlechterübergreifend. So gibt es nicht nur Männer, die die Quote ablehnen, so wie etwa der Frankfurter Architekt Stefan Forster („Die Tatsache, dass man als Architektin weiblich ist, führt im Berufsleben zu keinerlei Benachteiligungen“). Auch Shumi Bose zieht es vor, dass Frauen ihre berufliche Anerkennung „based on merit“ erhalten und nicht aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität. Gleichzeitig sei es nicht hinnehmbar, so die Blueprint-Redakteurin weiter, dass Frauen in der Architektur bis heute nicht die gleiche öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Arbeit bekommen wie Männer, wie das Beispiel von Natalie de Blois kürzlich noch einmal eindringlich vor Augen führe: Die kürzlich verstorbene SOM-Architektin war maßgeblich an prägenden Bauten des Büros wie dem New Yorker Lever House beteiligt, die öffentliche Anerkennung dafür erhielt jedoch im wesentlichen ihr Teampartner Gordon Bunshaft.
Die Befürworter betrachten die Quote meist als Notlösung, die letztlich aber immer noch zu wenigen Frauen, vor allem in Führungspositionen, bessere Arbeitsbedingungen verschaffe. So sieht die Schweizer Architektin Barbara Holzer in der Frauenquote ein Werkzeug, das neue Realitäten schaffe, auf deren Basis man erst wirklich über Gleichberechtigung in der Architektur diskutieren kann. Kerstin Dörhöfer wies darauf hin, dass man in den 80er Jahren schon einmal viel weiter als heute gewesen sei und zum Beispiel bei der IBA 84/87 erfolgreich einen bestimmten Prozentsatz an Frauen bei Jurys, Podien, Fachbeiräten, etc. erkämpft habe. Dazu passt die Überzeugung von Jeremy Till, Direktor des Central Saint Martins College of Arts and Design in London, der nur an Projekten und Veranstaltungen teilnimmt, bei denen Frauen zu mindestens 30% vertreten sind.
Fragen nach der Umsetzbarkeit einer Quote und ob diese nicht auch für Bauherren gelten müsse, stellten Christiane aka Christian Seidel und Oliver Langbein grundsätzlichere Ansätze gegenüber, die die berufliche Situation und Stellung von Frauen, nicht nur in der Architektur, konkret verbessern könnten. So schlug Seidel, in den 90er Jahren umtriebiger Marketingprofi und Manager von Claudia Schiffer, eine Männer-Minus-Quote vor, um „eine Zurückstufung der Job-Rechte der Männer auf den Umfang ihres gesellschaftlichen Anteils“ zu bewirken. „Demnach hätten Männer nicht mehr Anrecht als auf z.B. 50% aller Jobs. Die anderen 50% stünden den Frauen zu.“ Fast spiegelbildlich dazu forderte Oliver Langbein eine Männer-Plus-Quote für traditionell weiblich dominierte Berufe, ebenso wie deren finanzielle Aufwertung. Erst wenn nicht mehr nur der eine Partner das gute Geld verdient, ist der andere auch nicht mehr zwangsläufig auf den Familienpart festgelegt.
Einig waren sich fast alle Debattanden aber darin, dass die gängigen Arbeitsbedingungen in deutschen Architekturbüros eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie kaum zulassen. Gegen diese Misere helfe aber keine Quote, so Regine Leibinger, Stefan Rappold und Jasna Moritz, sondern vielmehr neue und flexiblere Arbeits- und Arbeitszeitmodelle. Genau in diesem Sinne setzen wir deswegen die Diskussion in unserer neuen Bkult-Debatte fort und fragen: „Sind die Arbeitsbedingungen in deutschen Architekturbüros noch zeitgemäß?“
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