"Brauchen wir weniger Denkmalschutz?"

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Seit 1970 hat sich die Menge der Denkmale in Deutschland versiebzigfacht und die Zahl steigt stetig. Die Denkmalschützer sammeln fleißig weiter, um der reichen und wechselhaften Geschichte Deutschlands, die sich im besonderen Maße in der Architektur widerspiegelt, gerecht zu werden. Längst werden nicht mehr nur einzelne Monumente weit zurückliegender Jahrhunderte wie Schlösser oder Kirchen unter Schutz gestellt, sondern auch – für manche zu Unrecht – Wohn- und Nutzbauten der Moderne und Nachkriegsmoderne sowie ganze Ensemble, Straßenzüge und Landschaftsbilder. Mittlerweile klopft der Denkmaschutz sogar an Türen kürzlich fertiggestellter Gebäude, wie im Beispiel der Therme in Vals von Peter Zumthor. Heute wird in der Gegenwart entschieden, was in der Zukunft schützenswert ist.

Diese quantitative Zunahme und qualitative Neubewertung der Baudenkmale wirft jedoch die Frage auf, ob die rigide Definition von Denkmalschutz, die nahezu jede Form von Veränderbarkeit und Anpassung an heutige Lebensverhältnisse ausschließt, noch haltbar ist.
Mit dem Schutz sind gesetzliche Auflagen verbunden, denn Ziel des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege ist es, dafür zu sorgen, dass Denkmale dauerhaft erhalten und nicht verfälscht, beschädigt, beeinträchtigt oder zerstört werden. Größere bauliche Eingriffe sind demnach meist ausgeschlossen oder nur innerhalb eines eng gesetzten Rahmens – der oft mit einem hohen Kostenaufwand verbunden ist – realisierbar. Der Originalzustand eines Bauwerks oder eines Stadtbilds, der Aufschluss über vergangene Lebensweisen und Arbeitsverhältnisse gibt, soll dadurch erhalten oder wieder hergestellt werden.

Obwohl viele Denkmalpfleger immer wieder betonen, dass eine Musealisierung von Gebäuden nicht unbedingt zu deren Erhaltung und Wertschätzung beiträgt, sondern gerade „lebendige“ Nutzungen helfen, sie zu bewahren, ist es schwer, für Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, eine zeitgemäße Nutzungen zu finden ohne größere bauliche Eingriffe vorzunehmen. Ist also die Möglichkeit der Transformation der Schlüssel zu einem effizienten, gesellschaftlich akzeptierten Denkmalschutz?

Der im Jahr 305 n. Chr. fertiggestellte Diokletian Palast in Spilt (Kroatien) ist ein einzigartiges Beispiel für so eine gelungene Transformation. Über die Jahrhunderte hinweg und unter verschiedenster kultureller Einflüsse und Herrschaften – von byzantinisch, venezianisch bis österreichisch-ungarisch – wurde der Palastkomplex von einem kaiserlichen Altersitz zu einem komplexen, städtischen Gewebe, dem Ursprung der Stadt Split, transformiert. „Ein Haus für einen Kaiser wurde eine Stadt für 3000 Menschen von Split“, erklärte der holländische Architekt Jaap Bakema 1962 fasziniert. Für ihn und die anderen Architekten des TEAM X, aber auch später für Aldo Rossi wurde der Diokletianspalast zum Paradigma eines permanenten Weiterbaus der Geschichte, bei dem sich Respekt vor der Vergangenheit und ihre bauliche Transformation nicht ausschließen. Daraus erwächst die Möglichkeit eines Denkmalschutzes, der seinen Gegenstand nicht musealisiert, sondern permanent aktualisiert, ohne dabei seine Strukturen unlesbar zu machen.

Diese eher pragmatische Herangehensweise kommt einer anderen aktuellen Position in der Debatte um Denkmalschutz im städtischen Kontext nahe, die sich weniger für die detailgetreue Erhaltung einzelner Gebäude, Ensembles oder gar Straßenzüge ausspricht, sondern welche diesen Elementen zugrunde liegende Anordnung als das eigentlich Schützenswerte betrachtet. Denn sind es nicht die räumlichen Strukturen und Dimensionen, die einer Stadt ihre Identität geben? Paris wäre vermutlich immer noch Paris, auch wenn stellenweise die Haussmannischen Gebäudefassaden zeitgenössischen weichen würden, solange das charakteristische Straßennetz aus großmaßstäblichen Boulevards und engen Gassen erhalten bliebe.

So mancher Bürger würde größere Gestaltungsmöglichkeiten bei dem Umgang mit Baudenkmalen sicherlich begrüßen und dankbar annehmen. Der Unterhalt und die Nutzung eines geschützen Gebäudes wäre einfacher und kostengünstiger, wodurch sicherlich auch die Entscheidung zum Kauf eines denkmalgschützten Bauwerks leichter würde. Dies käme dem Baudenkmal sowie der Denkmalpflege selbst zugute, denn gerade in Deutschland ist sie auf bürgerliches Engagement angwiesen. Brauchen wir also weniger Denkmalschutz?

 

Diese Debatte wird von der Redaktion der Architekturzeitschrift „Metamorphose – Bauen im Bestand“ begleitet. "Metamorphose" ist ein Sonderteil der „db – Deutschen Bauzeitung“, der sich intensiv mit allen Aspekten des Themas Umbau und Bauen im Bestand widmet.

 

 

 

Claudia Braune / 30.9.2023 / 16:00

Studenten Bauhaus-Universität Weimar

Nein ...

Konsolidiert zeigt sich für uns, die Studenten der Bauhaus-Universität im SS2023, dass der Denkmalschutz in Deutschland von entscheidender Bedeutung ist, um unsere kulturelle und historische Identität zu bewahren. Dies erfordert jedoch eine zeitgemäße und objektive Herangehensweise, die auch Nachhaltigkeitsaspekte integriert. Wir sind uns einig, dass der Denkmalschutz kontinuierlich weiterentwickelt werden muss, um eine Balance zwischen dem Schutz der Denkmäler und den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen zu finden.
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Marlen Hüske Marc Simonsen / 28.7.2021 / 21:27

Studenten der Bauhaus-Universität

Nein ...

Vieles geht manchmal schief - auch beim Denkmalschutz !Zu erwarten, dass Denkmalschutz und Denkmalpflege immer alles richtig machen,ist realitätsfern. Daraus aber abzuleiten, das Baudenkmale weniger unterSchutz gestellt werden sollten, ist unserer Meinung nach ein schlechter Weg. Weniger Denkmalschutz zu fordern hieße nämlich auch, ein Weniger anDenkmalpflege gut zu heißen, dadurch auch weniger Theorieentwicklung,Denkmalvermittlung und mehr Verluste an Kulturgeschichte. Alles in allem würde der Denkmalschutz dadurch in eine Schieflage geraten und mitihm viele der schützenswerten Objekte..
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Redaktion BKULT / 25.4.2013 / 16:10

Jein ...

„Brauchen wir weniger Denkmalschutz?“ Über diese Frage haben im Lauf der letzten drei Wochen über 25 Architekten, Ingenieure, Designer, Biologen, Bürgermeister, Landschaftsplaner, Denkmalpfleger, Journalisten, Kunsthistoriker und andere diskutiert. Vom größten Teil von ihnen wird der Denkmalschutz als wichtige Institution der Baukultur angesehen. Manche gehen soweit, den Vergleicht zum Arten- und Umweltschutz zu ziehen (Thomas Will). Gelobt wird die Kompromissbereitschaft der Denkmalpfleger (Christian Schönwetter), kritisiert dagegen die untergeordnete Rolle des Bestands beim Entwerfen für viele Architekten (Oliver Elser). Nein, antwortet also die Mehrheit: „Wir brauchen nicht weniger, sondern einen anderen Denkmalschutz.“ Nämlich einen, der wirkungsvoller gegenüber monetären Interessen bzw. Mechanismen des Marktes ist, der stärker im Bewusstsein der Bevölkerung verankert ist und über dessen Kriterien des zu Schützenden neu reflektiert wird. Dieter Hoffmann-Axthelm konkretisiert die Forderung nach trennschärferen Kriterien der Unterschutzstellung, um uns vor willkürlichem Sammelwahn zu bewahren. Es gebe einen Bruch zwischen Bauten vor und nach der Moderne: Während man jenen Wandlung und Verwandlung zugestehe, würde für die Bauten der Moderne oft die Wiederherstellung des Originalzustandes gefordert. Jürgen Mayer H. spricht sich dagegen gleich für weniger Denkmalschutz und mehr Autorenschutz aus, zugunsten einer vielfältigeren Architektur, die im ständigen Weiterbauen und Verändern ein nicht-hierarchisches Nebeneinander unterschiedlicher Zeitschichten zulasse. Im Zusammenhang mit der Institutionalisierung des Denkmalschutzes wird auch die Frage nach der Nutzung neuer digitaler „Instrumente einer bürgerschaftlichen Emanzipation“ als Gegenmodell zum Bürokratismus gestellt (Herbert Lohner). Die Bürgermeisterin der Stadt Düsseldorf Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisiert offen die „restriktive Haltung“ der Oberen Denkmalschutzbehörde und plädiert für mehr Pragmatismus zugunsten von Investitionen in den Bestand. Natürlich fehlt der Debatte nicht der Verweis auf die Popularität historischer Stadtquartiere, die „Geschichten erzählen“ (Thomas Will). Dass es dabei aber nicht um eine museale Disneyfizierung historischer Innenstädte gehen kann, betont Michael Hofstätter von PAUHOF Architekten aus Wien. Wie aber sollen wir mit dem heute  wieder stärker spürbaren „Sehnsucht nach Historie“ umgehen und was spricht dagegen, historisierend oder historisch zu bauen?  Dieser Frage geht BKULT ab dem 14. Mai nach, im Anschluss an die gerade laufende Energiedebatte.
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Michael Risch / 18.4.2013 / 18:02

Ingenieur, Zittau

Jein ...

... wir brauchen einen anderen Denkmalschutz. Es gilt die Frage zu beantworten „Was ist wann, wo und in welchem Maße schützenswert?“ Die denkmalpflegerische und die kunsthistorische Erwartungshaltung lassen sich nicht von z.B. München oder Wiesbaden auf Städte und Dörfer abseits der Wirtschaftlichen Zentren übertragen. Die Denkmallandschaft in Deutschland hat in den vergangen Jahrzenten sehr unterschiedlich Entwicklungen genommen. Das resultiert unter anderem aus den unmittelbaren Kriegseinwirkungen (oder auch nicht) und deren Folgen und zum anderen aus der unterschiedlichen Entwicklung in beiden Teilen Deutschlands. Diese sehr verschiedenen Voraussetzungen führen zu einem äußerst unterschiedlichen Denkmalbestand. Nach Erhebungen des Sächsischen Innenministeriums[1] hat Sachsen einen der höchsten Denkmalbestände im Vergleich mit allen Bundesländern. Bei gleichzeitigem Rückgang der Einwohnerzahlen werden einige Gebäude nicht mehr benötigt – auch Denkmale! Das trifft auf sehr viele Gebiete Deutschlands zu, nicht nur auf Sachsen. Die Frage heißt: Wollen wir alle Denkmale erhalten? Daran schließt sich die Frage an: Können und wollen wir uns das leisten? Wie auch immer die individuellen Antworten lauten mögen, eine pauschale Antwort gibt es nicht. Es kommt auf die vorherrschenden individuellen Umstände an.Der bisher praktizierte Denkmalschutz kann nicht darauf hinauslaufen alles um jeden Preis zu erhalten. Wir brauchen einen anderen, differenzierteren Denkmalschutz. Einen Denkmalschutz, der alle gesellschaftlichen, technischen und finanziellen Einflüsse berücksichtigt. Nicht nur die Erhaltung der Trockentoilette auf der halben Treppe und deren wunderschöne Farbfassung! Dazu gehört auch der verantwortungsvolle und nachhaltige Umgang mit Ressourcen und zwar für die Erhaltung und den späteren Betrieb. Die oft zitierte Begründung gegen den Denkmalschutz sind die Forderungen des Brandschutzes und der Barrierefreiheit. Das ist unsinnig und falsch. Eine frühzeitige integrale Planung unter Einbeziehung aller Einflussfaktoren führt zu optimalen Ergebnissen, die den Lebenswirklichkeiten entsprechen. Unbrauchbar für einen sich am DENKMAL orientierenden Denkmalschutz sind jegliche ideologisch- dogmatische Sichtweisen. Die Mehrzahl der Denkmalschutzgesetze ist allerdings für so eine Betrachtungsweise nicht unbedingt hilfreich. Unkonkrete und schwammige Formulierungen in den Gesetzen / Verordnungen werden gelegentlich für die Verwirklichung individueller Sichtweisen und Vorlieben missbraucht.Für einen individuellen und differenzierten Denkmalschutz stehen auch ganz praktische (juristische) Gründe. Wir müssen nicht jeden Fehler, den unsere Vorfahren gemacht haben, wiederholen oder mit hohem finanziellem Aufwand alte Fehler stabilisieren und unsichtbar machen.Eine behutsame Anpassung an die derzeitigen Erfordernisse führt in der Regel zu besseren und nachhaltigen Ergebnissen. Diese Ergebnisse müssen von allen Projektbeteiligten (und der Haftpflichtversicherung) denkmalpflegerisch, technisch und juristisch mit getragen werden.[1] Energetisch Sanierung von Baudenkmalen, 1. Auflage 2011, Seite 6 Michael Risch, geb. 1952, ist Ingenieur für Hochbau und Fachingenieur für Rekonstruktion und Erhaltung im Hochbau. Er ist als Gutachter für Gericht und Staatsanwaltschaft tätig und hat seit 1992 ein eigenes Ingenieurbüro und  ist Dozent an der Hochschule Zittau/Görlitz. ?
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Bernward Wilhelmi / 17.4.2013 / 23:50

Landschaftsarchitekt, Arnsberg

Nein ...

Auch ich bin der Ansicht, daß wir eher mehr Denkmalschutz benötigen als weniger. Ich mache dies an der Wandlung meines Heimatortes Neheim-Hüsten (Stadt Arnsberg) fest. Als ehemaliger Industriestandort (Ziegeleien, Hochöfen im OT Hüsten, Leuchtenindustrie (im OT Neheim), weist heute kaum noch etwas auf diese Geschichte hin. Es gibt ein kleines Leuchtenmuseum in Neheim - der größte Leuchtenproduzent sitzt aber nun auf Hüstener Seite. Es gibt noch die alten 'Hüttenhäuser' - doch mindestens ebenso wichtige Zeugen z.B. die ehemalige Firma Tappe und Cosack fielen trotz ausdrucksstarker Ziegelarchitektur dem Abriss zum Opfer... für was? Ein Parkplatz und diverse eher gesichtslose Filialisten (Discounter, Tierbedarf...).Mittlerweile dominieren zunehmend 'Glaspaläste' die örtliche Fußgängerzone - das wirtschaftliche Erbe ist allenfalls in zweiter Reihe oder am Ortsrand zu finden.Im Ortsteil Hüsten sind die Zeugnisse eines einst ansässigen 'Großbürgertums' verschwunden - imposante Villen... der Ortsteil leidet heute unter einem schlechten Image, obwohl an sich noch relativ reich an schönen Fassaden... Leerstand... Verfall - hier sieht man die Kette, wie sie wirktVerschwunden sind die imposanten Hochöfen - verschwunden ist der Kleinbahnhof - verschwunden ist manches altes (Klein- und Groß-) Bürgerhaus...Dabei gibt es genügend positive Beispiele, wie eben mit Baudenkmalen sinnvoll und vor allem KREATIV umgegangen werden kann - hier sollten wir uns als Architekten (selber bin ich Landschaftsarchitekt) berufen fühlen unsere Kompetenz voll auszuspielen. Wie sagte schon Goethe: ...an der Beschränkung erkennt man den Meister... oder wie ich gern sage: Wenn es leicht wäre, könnten es auch andere machen.Werte Kollegen, werte Diskutanten - lassen Sie uns die Aufgabe anpacken und einen verantwortungsvollen Umgang mit JEDER Bausubstanz anstreben. Ob Denkmal oder nicht, ob gebaute Kultur oder gestaltete Natur, stets verdient das Werk das vor uns steht, Respekt vor dem Bemühen, das die, die vor uns hier am Werk waren, sich gegeben haben.Bernward Wilhelmi, geb. 1966, ist gelernter Gärtner und studierter Garten- und Landschaftsarchitekt und war u.a. Leiter des Botanischen Gartens Linz bevor er 2005 wgla wilhelmi garten + landscaftsarchitektur gegründet hat.Hier eine alte Postkarte aus jener Zeit:In diesem Zusammenhang stieß ich noch auf einen Fund, der erst letztes Jahr verschwand – das hiesige Hallenbad, welches einem Hackschnitzel-Heizwerk der Stadtwerke weichen musste… architektonisch nicht weit entfernt von einer Schuhschachtel (s. unten) ….Hier noch der alte Zustand in Google maps (A=altes Hallenbad, jedoch schon mit Erweiterungsbau). Beides wurde abgerissen und wich dem nachstehendenInwieweit man die neue Technik in das „alte“ Gebäude nicht hätte integrieren können, sei einmal dahingestellt…(ggf. Rückbau des späteren Anbaus – hier Anlieferung, Lagerung des Rohmaterials, Heiztechnik im alten Schwimmbecken, Verwaltung und Sozialräume – ggf. Infozentrum in den ehemaligen Umkleiden und Foyer…) Dieser Prozess spielt sich in ähnlicher Form gerade im Ortsteil Arnsberg ab: http://www.derwesten.de/wp/staedte/arnsberg/altes-hallenbad-ohne-moos-ist-nicht-ganz-so-viel-los-id1007796.html– aktuell Leerstand, mehrfaches vergebliches bürgerliches Engagement, welches von der Stadtverwaltung abgewiesen wurde… ein fragwürdiger Ideenwettbewerg (an Bürger und Planer gerichtet!) und und und… Oder aber die einstmals große Geste bei der Eingemeindung von Neheim und Hüsten, durch den ‚Trauring’ ein großer Kreisverkehr, am Rathaus, der beide Ortteile zusammenführte:Hier nur zum Teil im linken Bildeck zu Erkennen:Die städtebauliche Geste wurde im Rahmen eines Autobahnbaus abgerissen und durch zwei Kreuzungen ersetzt. In diesem Zuge verschwanden auch zahlreiche Ziegel-Fabrikgebäude im Umfeld. Das einst klar gegliederte und geordnete Umfeld des Rathauses leidet unter Konzept- und Ratlosigkeit bei Pflege, Erhalt und Weiterentwicklung angesichts des leeren Stadtsäckels…Nun habe ich auch die von mir erwähnte Fa. Tappe&Cosack gefunden:Hier eine alte Postkarte aus jener Zeit.   
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c Keinath / 16.4.2013 / 8:16

Architektin, Stadtplanerin

Nein ...

Wieso brauchen wir mehr Denkmalschutz statt weniger? Weil in Zeiten des Rekonstruktionswahns jedes rekonstruierte Gebäude sagt, „alles ist machbar, reißt die alten Gebäude ruhig ab, ihr könnt sie ja wieder aufbauen.“ Dies zerstört unsere Geschichte. Weil historische Gebäude keine Lobby haben. Weil wir ohne das bauliche Gedächtnis unserer Städte und Dörfer unsere Geschichte verlieren, wir sind wie Menschen, die einen Gedächtnisverlust erlebt haben. Weil ohne Denkmalschutz nur die schönen und pflegeleichten Gebäude erhalten werden. Wir brauchen Menschen, die sich für den Denkmalschutz mit engagieren, Denkmalschutz darf sich nicht nur auf die hauptamtlichen Denkmalpfleger zurückziehen, Denkmalschutz muss die Menschen mit einbeziehen, erklären, wieso genau dieses Gebäude schützenswürdig ist. Aber ohne professionelle Denkmalpflege haben die sperrigen Denkmale keine Chance, die unscheinbaren, die unbequemen, die Denkmale, die im Wege stehen … Weil der heutige Dämmwahn dazu führt, dass seit Hunderten von Jahren bestehende Gebäude abgerissen werden, um an ihrer Stelle energetisch „bessere“ Gebäude erstellt zu werden, weil die alten Gebäude angeblich nicht genügend „ertüchtigt“ werden können. Die Gesamtbilanz sagt aber durchaus etwas anderes. Weil heutige Architekten nicht lernen, beim Entwerfen das Ensemble zu sehen. Alt und Neu passt sehr gut zusammen, aber das Neugeplante sollte Respekt vor dem Alten haben. Über Jahrhunderte wurden die Städte problemlos ergänzt und umgebaut. Heutige Planungen, in denen die Nutzungen die Dimensionen der alten Gebäude sprengen, in denen die neuen Gebäude immer lauter und wichtiger als die Bestandsgebäude sind,  zerstören die Städte und lassen die alten Gebäude als Fremdkörper da stehen. Weil Bürgermeister, Gemeinderäte und Stadtverwaltungen heute getrieben werden, etwas zu „produzieren“, neu zu bauen, etwas Neues, Vorzeigbares für die nächsten Wahlen benötigen. Der Erhalt von bestehender Bausubstanz ist aufwendig aber nicht publikumswirksam. Keiner wird gewählt, weil er die bestehende Altstadt in gutem Zustand erhalten hat, er wird gewählt, weil er Neues geschaffen hat. Dies führt zu baulichem Aktivismus, dem unsere Städte nicht Stand halten. Erhaltung ist weniger publikumswirksam als Neubau. Weil ohne Denkmalschutz vom historischen baulichen Erbe nur die Fassaden übrig bleiben. Geschönte Fassaden, die in unsere Zeit des Schönheitskultes hineinpassen, die aber den Gebäuden nicht gerecht werden. Das historisch Bedeutsame aber unansehliche muss weichen. Weil unsere Städte der Beliebigkeit preisgegeben werden. Der Wert von Ensembles, von Platzräumen, von Maß und Proportion in den Städten geht sonst verloren. Gleichzeitig muss man sich fragen, weshalb die Menschen sich in italienischen Städten so wohl fühlen? Aus genau dem Grund, weil hier Raumqualitäten erlebbar sind. Wir brauchen nicht weniger Denkmalschutz, wir brauchen mehr, vor allem städtebaulichen Denkmalschutz. Kein Gebäude steht allein. Die Stadt ist ein Raumgefüge, der Verlust eines Hauses verändert immer das Gesamtgefüge. Dipl. Ing. Christine Keinath ist Freie Architektin und Stadtplanerin in ihrem Büro URBA Architektenpartnerschaft Keinath und Dr. Dietl. Der Schwerpunkt des Büros sind Planungen im historischen und städtebaulichen Kontext.
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Luise Rellensmann / 15.4.2013 / 20:41

Getty Conservation Institute, Los Angeles

Jein ...

 Wir brauchen nicht weniger, aber auch nicht mehr, was wir brauchen ist ein verändertes Verständnis vom Denkmalbegriff, bei dem es nicht um die Sammelleidenschaft  von Denkmalpflegern geht („Die Denkmalschützer sammeln fleißig weiter...“.) Was für wen erhalten, und warum überhaupt? – ist der Kernpunkt der „2005 Faro Convention on the Value of Cultural Heritage for Society“, die dafuer plädiert dass nicht nur Experten wie Archäologen, Architekten oder Kunsthistoriker die Deutungshoheit darüber haben, was erhaltenswert ist, sondern dass es vielmehr von der Gesellschaft konstruierte Werte sind, sie entscheidend dafür sein sollten was wir schützen. Kürzlich erschien ein Artikel auf Welt online, der Position in der East Side Gallery Debatte bezog. Seine Botschaft “Weg mit der hässlichsten Mauer der Welt!” fand sofort regen Anklang unter befreundeten Berliner Architekten. Da wurde vorgeschlagen die East Side Gallery grau zu streichen, damit wenigstens die Grausamkeit und Tristesse des Originals wiederhergestellt sei. Man müsse eher von einem “falschen” Denkmal sprechen, so ein weiterer Leserkommentar. Der Artikel und die Reaktionen meiner Freunde spiegeln eine aus meiner Sicht konservative, fast schon reaktionäre Haltung wider, die selbst in der - gerne als verstaubt beschimpften -Denkmalpflege längst als Substanzfetischismus verschrien ist. Bei der Erhaltung der East Side Gallery geht es nicht um die bauliche Qualität der Mauer oder die mehr schlecht als recht rekonstruierten Graffiti. Hier strömen jährlich Touristen aus der ganzen Welt an die Spree und lassen sich in fröhlichen Posen vor einem Bauwerk ablichten, das für Freiheit steht und Symbol der Überwindung des Kalten Krieges ist. Die East Side Gallery geht nicht nur Berliner etwas an, sondern hat weltweite Bedeutung. Und das soll kein echtes Denkmal sein? Unter dem Gesichtspunkt von sozialen Werten von Bauwerken, also solchen, die dadurch entstehen, dass wir Menschen bestimmte Erinnerungen und Assoziationen mit ihnen verbinden, lässt sich im East Side Gallery Streit auch die Auflehnung der Clubszene gegenüber den geplanten Abriss und Baumaßnahmen begreifen. Für sie steht dieses Stück Mauer auch für eine Zeit in der die Mitte Berlins noch ihnen gehörte, sie ungestört feiern und experimentieren konnten. Es geht bei Denkmalpflege nicht allein um architektonischen oder künstlerischen Wert, sondern darum, für wen ein Bauwerk Bedeutung hat und warum. Auch die vom East Side Gallery Abriss gefährdeten Standorte der Clubszene könnten in gewisser Weise als denkmalwürdig betrachtet werden, schließlich hat die Clubkultur von den späten 90ern bis heute den Charakter Berlins doch maßgeblich mitgeprägt.  Dass demokratischer Denkmalschutz nicht gleich eine Bedrohung für die Nachkriegsmoderne bedeutet, sondern dass gerade auch beim Denkmalschutz der "ungeliebten Moderne" soziale Werte eine Rolle spielen sollten zeigt die Hamburger Initiative ESSO-Häuser, hier haben sich die Bewohner der etwa 100 aus Nachkriegszeiten stammenden Wohneinheiten rund um die Kulttankstelle auf St.Pauli zusammengeschlossen, um sich gegen den Abriss zu wehren: "Wir bieten Nachkriegsmoderne, die St. Paulis Stadtbild seit über 50 Jahren prägt! Eine gewachsene, heterogene und gut funktionierende Mieterstruktur! Ideen für behutsame Nachverdichtung durch sozialen Wohnungsbau!" heißt es auf ihrer Website. In diesen Tagen ist übrigens eine Delegation der Initiative ESSO-Häuser in Paris, um dort den Tour Bois le Prêtre zu besichtigen und sich mit der Architektin Anne Lacaton (siehe ältere BKULT Debatte) auszutauschen. Luise Rellensmann ist Volontaerin am Getty Conservation Institute in Los Angeles, bevor sie von Berlin nach Kalifornien zog, arbeitete sie zwei Jahre lang als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Denkmalpflege der Brandenburgischen Technischen Universitaet Cottbus. Sie schreibt regelmaessig fuer das Architekturportal Baunetz und uncube magazine.
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Konrad Fischer / 15.4.2013 / 18:24

Architekt, Hochstadt am Main

Ja ...

... wir brauchen weniger Denkmalschutz!Warum?Weil der Denkmalschutz in der bekannten Form das Denkmal gar nicht richtig schützt. Das kommt von den Denkmalschützern. Denn die beamteten Profis aus Kunst- und Bauwissenschaft sowie dem Ingenieurwesen verstehen viel zu wenig vom Denkmal als solchem - also in seiner grundsätzlich allem Modernismus überlegenen Energieffizienz und seinem bauphysikalisch überlegenem System und seiner grundsätzlich im Vergleich zum Neubau wirtschaftlicher zu bewahrenden Intaktheit als Summe seiner kompletten Baugeschichte - als daß sie genau die heute wie damals wichtigen Systembestandteile umfang- und erfolgreich gegen die Angriffe der umsatzgeilen Bauparasiten und Urzustandserfinder verteidigen könnten. Damit geht der Kampf gegen eigentlich unbegründete Unwirtschaftlichkeits- und Energieschleudervorwürfe komplett verloren. Zu besichtigen landauf und -ab.Und so wird das Denkmal qua Denkmalschutz auf dem Altar der gewissen- und ahnungslosen Moderne geopfert - und höchstens substanzvernichtend "nach Befund" zu neuem Glanz hochlackiert - in den denkbar ungeeignetsten und denkmalschädigensten Putz- und Farbsystemen, die die moderne Bauchemie zu bieten hat. Genauso fast alle anderen modernen Torheiten, die dem unschuldigen Baudenkmal durch beamteten und an der Denkmalvernichtung gewerblich profitierenden "Denkmalschutz" aufgezwungen werden.Wobei die Denkmalschutzplanung zu viel zu großem Anteil den umsatzmaximierenden Einflüsterungen der Denkmalindustrie entsprießt - incentivgestützt in die eigentlich unbedingter Produktneutralität verpflichtete Denkmalschutzplanung der Architekten und Ingenieure "umsonst" hineinbugsiert und von jedem Deppen - nur nicht vom dafür eigentlich zuständigen Denkmalschutzbeamten - am "Produkt XY oder gleichwertig" im Leistungsverzeichnis als Bestechungsergebnis zu erkennen.Fazit: Weniger doofen und korrupten Denkmalschutz ja, dafür mehr kluge, unbestechliche und reparierende Denkmalpflege. Kapito, liebe Denkmalfans? Konrad Fischer, 57, verheiratet, vier Kinder, Architektur- und Ingenieurbüro für Haustechnik, Tragwerksplanung und Bauphysik, seit 1979 ca. 450 kostensicher abgerechnete Bauprojekte, meistens an Baudenkmälern, Seminartätigkeit, Vorträge und Publikationen im In- undAusland, Webmaster der Altbau und Denkmalpflege Informationen
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Jonathan Eckloff / 13.4.2013 / 19:34

Nein ...

Wir brauchen einen anderen, konstruktiveren und entwicklungsorientierten Denkmalschutz, der sich stärker mit der Stadtbildpflege und dem Erhalt / der Weiterentwicklung des besonderen Charakter eines Ortes befasst. Gerade der Erhalt historischer Architektur aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg ist in Deutschland angesichts der großen Verluste während des Krieges sehr wichtig. In vielen Fällen greift der Denkmalschutz nicht, weil Gebäude verändert wurden oder gar nicht unter Schutz stehen. Der fortwährende Verlust attraktiver und (im positiven Sinne) identitätsstiftender historischer Gebäude sollte endlich gestoppt werden. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir den Denkmalschutz weniger bräuchten, wenn es zeitgenössischen Architekten und Investoren häufiger gelänge, attraktive, identitätsstiftende und regional verankerte Architektur zu verwirklichen.
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Jascha Philipp Braun / 13.4.2013 / 17:42

Autor der Seite "Stadt.Bild.Berlin": http://stadtbildberlin.wordpress.com/

Nein ...

Nein, definitiv nicht, denn nur der gesetzlich verankerte Schutz eines historisch wertvollen Bauwerks kann dessen Erhalt sicherstellen.Dies ist in meinen Augen vor allem aus drei Gründen erstrebenswert:1. Unser historisches Erbe bildet die Entwicklung der Baukunst ab und gibt darüber hinaus Auskunft über das Leben unserer Vorfahren. Das wiederum hilft einer Gesellschaft, sich zu verorten und Identität zu finden. Es ist ja kein Zufall, dass gerade in der heutigen globalisierten Welt offenbar ein weit verbreiteter Hang zur Rekonstruktion von verloren gegangenen Gebäude existiert (s. Frauenkirche, Berliner Stadtschloss oder Frankfurter Altstadt).2. Außerdem haben wir dem Denkmalschutz eine attraktive gebaute Umwelt zu verdanken, da er gewisse Qualitätsstandards setzt. Städte mit einem reichen Denkmalbestand gehören heute nicht ohne Grund zu den lebenswertesten überhaupt.3. Schließlich - und das ist heute angesichts der vielen Diskussionen um Klimawandel und Umweltschutz von besonderer Bedeutung - besitzt der Denkmalschutz auch eine wichtige ökologische Komponente. Er geht von dem Grundsatz aus, überlieferte Bausubstanz dauerhaft zu bewahren. Dies gelingt vor allem, in dem sie weiter genutzt wird. So werden auch wertvolle Ressourcen gespart, denn dieser Ansatz ist nachhaltig!Jascha Philipp Braun ist Doktorand am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der TU Berlin. Sein Dissertationsprojekt untersucht u.a. den Denkmalwert der in Berlin zwischen 1960 und 1990 entstandenen Großsiedlungen. Nebenbei arbeitet er für die denkmalpflegerische Baudokumentation. 2011 Magisterarbeit über das Thema:  „Die erste sozialistische Stadt auf deutschem Boden – Architektur und Städtebau in der frühen DDR am Beispiel von Stalinstadt“.Mitbegründer der Bürgerinitiative „Gegen die Zerstörung historischer Fassaden durch Wärmedämmung“, Mitglied im Verein "Denk mal an Berlin e.V.“ und Autor des Blogs Stadt.Bild.Berlin. 
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anne schmedding / 11.4.2013 / 16:51

Architekturhistorikerin, Berlin

Jein ...

Es geht nicht um das „Mehr oder Weniger“ an Denkmalschutz, sondern um das „Wie und Warum“ - und vor allen Dingen, wer entscheidet das?„Baudenkmale sind bauliche Anlagen, an deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht.“ Sagt das niedersächsische Denkmalschutzgesetz, mehr oder weniger ähnlich in allen Ländern. Was heißt das? Es gibt Bauten und auch Ensembles, bei denen breiter gesellschaftlicher Konsens darüber besteht, daß sie erhalten werden sollten. Je älter, desto beliebter, je mehr Herrschaftsarchitektur (Schloß!), umso besser. Je näher wir an die Gegenwart kommen, umso komplexer wird es. Hier geht es um Denkmale demokratischer Gesellschaften, da macht es auf den ersten Blick Sinn, auch profane Bauten unter Denkmalschutz zu stellen, wie Wohnanlagen, Autobahnen, Flughäfen, Fernsehtürme, denn wer, wenn nicht sie veranschaulichen z.B. die Nachkriegsgesellschaft? Aber davon gibt es so viele, teilweise auch mehr oder weniger qualitativ gleichwertig, wie entscheiden?Man kann, wenn man wollte, für so viele Bauten Denkmalschutz argumentieren, dass der Gegenwart und Zukunft die Luft zum Atmen genommen wird. Das kann nicht die Lösung sein. Vor allem seit dem Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 und dem Ensembleschutz steht in Deutschland an einigen Stellen so viel unter Denkmalschutz, dass man eher Schlösser wiederaufbaut als endlich mal zeitgenössische Bauten zuzulassen. Als ob uns der Mut verlassen hätte, an unsere Zeit und ihre Architektur zu glauben.Aber warum überhaupt über Denkmalschutz reden? All das sind Entwicklungen, die weniger mit der Denkmalschutzbehörde und ihrer Arbeit zu tun haben, als mit gesellschaftlichen und politischen Strömungen. Denn auch wenn die Behörde bei vielen kleinen Projekten mit ihrem Erhaltungswillen Architekten und Bauherren in den Wahnsinn treibt, ist sie in so vielen großen Fällen ein zahnloser Tiger. Umbau zu kompliziert, weil ja Denkmal? Na dann einfach abreißen und Neubau, das ist einfacher, auch wegen der Architektenrechte. So muß sich die Behörde am Ende ihrem Dienstherren beugen, wie z.B. im Falle des Hannoverschen Landtages (was dann durch Bürgerprotest flugs wieder zurückgenommen wurde!). Oder, wie in Schleswig-Holstein, soll der Denkmalschutz gleich in die Hände der privaten Eigentümer gelegt werden, womit die Idee eines für die Gesellschaft relevanten Denkmals und der Verantwortung des Staates für seinen Schutz zu den Akten gelegt wird.Was bleibt? Öffentliches, aber auch zunehmend bürgerschaftliches Engagement für den Erhalt einzelner Bauten und der Mut, viele andere abzureißen. Hier die richtige Entscheidung zu treffen, ist die eigentliche Kunst, denn es geht nicht um „Gefällt mir/Gefällt mir nicht“ (in der Politik weit verbreitet), sondern um ein Bewußtsein für historische, städtebauliche und architektonische Zusammenhänge. Dazu gehört auch, ein „Schöpferisches Weiterbauen“ zuzulassen, denn nur so können wir auch nach vorne gucken und nicht immer nur zurück. Anne Schmedding ist Kunst- und Architekturhistorikerin und lebt in Berlin. Sie arbeitet als freie Autorin, Redakteurin, Lektorin, Moderatorin und betreut Forschungsprojekte. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Braunschweig für Theorie und Geschichte der Architektur und Redakteurin der Zeitschrift Daidalos. Gemeinsam mit Constanze von Marlin gründete sie 2011 die Schmedding.vonMarlin.GbR. Sie hat viele Aufsätze publiziert und Vorträge über Kunst und Architektur des 20. Jahrhunderts gehalten, Veranstaltungen und Führungen zu Kunst und Kultur Berlins durchgeführt und ist Mitherausgeberin von  Publikationen zu Architektur und Kunst, so erschien zuletzt „Moderators of Change“, ein Buch über internationale Architekturprojekte, die soziale Prozesse positiv beeinflussen. Ihre Dissertation schrieb sie über Dieter Oesterlen. www.anneschmedding.net 
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Michael Hofstätter / 10.4.2013 / 10:42

PAUHOF architekten, Wien

Ja ...

Ja, wir brauchen jenen Denkmalschutz weniger, wie er in Deutschland oder Österreich derzeit betrieben wird, also im Sinne der reinen Musealisierung von Architekturen, der äußeren Bewahrung und Schönung von tourismustauglichen Stadtbildern.  Gerade in der Wiener Innenstadt etablierte sich einerseits eine kulissenartige Renovierung der historischen Baubestände als Geschäftsmodell für so genannteDenkmalarchitekten und andererseits zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass die innere Struktur der einzelnen Häuser oft der Bauspekulation zum Opfer fällt oder diese wegen hypertropher Dachaufbauten ihre ursprüngliche Maßstäblichkeit verlieren.  Baukultur würde allerdings bedeuten, über die Zeiten hinweg Räume zu schaffen, Proportion und Ordnung zu finden, den Umgang mit Material und dessen Ausstrahlung zu beherrschen und das Licht entsprechend zu steuern. Noch scheint es kein selbstbewusstes Gefühl für die originäre Gestaltung der Gegenwart auf dem Gebiet der Architektur und Stadtplanung zu geben, die so universell ist, dass diese für die Zukunft anschlussfähig bleibt und gleichzeitig die Vergangenheit respektiert. Ein Beispiel aus der PAUHOF Praxis: Das Synthese Museum etwa, im Zentrumvon Wien, vor/über/in den von Fischer von Erlach geplanten Hofstallungen (1721),  fügten wir, nach gründlicher Analyse der heterogenen Umgebung, maßstäblich sehr präzise in das historische Ringstraßengefüge ein. Der Haupttrakt spannt sich zwischen zwei U-Bahnstationen, mit einem Haupteingang der sich bis hinunter zur ersten Station öffnet, ein öffentlicher Querweg durchschneidet den neuen Riegel, zwei Brückenbauwerke verbinden die Ringstrassenarchitektur mit der gewachsenen Stadtstruktur des Biedermeierbezirkes dahinter, die darunter liegenden Barockstallungen werden mittels zweier Schrägaufzüge funktionell angebunden. Selbst die Orientierung im Inneren des Museums erfolgt über genau kalkulierte Ausblicke auf wichtige städtische Bezugselemente wie den Semper-Kuppeln, dem Flakturm, die Seccesssion, …. Trotzdem attestierten Jury und Kritik dem Entwurf Frechheit gegenüber dem Ort. Neue radikal-konsequente, offensive Lösungen wären aber in bestimmten Situationen eine baukulturelle/gesellschaftliche Notwendigkeit. Die Grenzen zwischen Imagination und Machbarkeit blieben geschlossen. Gebaut wurde eine postmoderne Hinterhofarchitektur, die zwar das liebgewonnene Stadtbild bewahrte, aber im Endeffekt die barocken Hofstallungen in ihrer Substanz aushöhlteund zur Kulisse degenerieren ließ. Das alles unter der fachlichen Patronanz des Denkmalamtes und dessen favorisierten Architekten als Planungspartner. Und in Berlin verrutscht der Denkmalbegriff mit dem soeben begonnen Wiederaufbau des Stadtschlosses geradezu ins Absurde. Geht es da noch um ein Denkmal, um die Kopie eines Denkmals, um Architektur oder nur noch um unglückliche Repräsentation der Politik in einer wenig schöpferischen Zeit. In Mumbai, Paris, London, Tokyo, Stockholm, …. wäre so etwas nicht vorstellbar – außer in deren Luna Parks.    PAUHOF Architekten, Michael Hofstätter und Wolfgang Pauzenberger gründeten 1986 PAUHOF Architekten in Wien/Linz/Berlin. Das Architekturbüro PAUHOF entwirft urbanistische Studien, wagt architektonische Experimente, beteiligt sich an Wettbewerben, national wie international, bearbeitet Ausstellungen und solcher Gestaltung. Sie bauen Architekturen.  
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Ansgar und Benedikt Schulz / 10.4.2013 / 10:11

Architekten, Leipzig

Jein ...

Die Frage nach einer quantitativen Bewertung des Denkmalbegriffs schließt die Frage seiner qualitativen Beurteilung ein. Die Auseinandersetzung um die Frage „Brauchen wir weniger Denkmalschutz?“, sollte deshalb um den Aspekt erweitert werden, welches Denkmal wir brauchen. Dies stellt vor allem den besonderen Wert in den Fokus, der von einer Unterschutzstellung ausgeht. Denkmalschutz sollte also immer eine Qualitätszuweisung für herausragende Objekte sein. Eine „flächendeckende Denkmalpflegisierung“ der gebauten Umwelt ist hingegen zu vermeiden, um keine unnötige Inflation des Begriffs voranzutreiben und die Kapazitäten von Denkmalschützern sinnvoll zu binden. Und dennoch bedarf es zugleich einer Öffnung der Debatte, die auch die Würdigung der „ungeliebten“ Nachkriegsmoderne der 60er und 70er Jahre ermöglicht, um zunehmend bedrohte Objekte dieser Zeit zu erhalten und deren Wertschätzung in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken. Gleichwohl gilt es, eine dogmatische Herangehensweise zu umgehen, um neben dem Erhalt, die Nutzung und eine zukunftsfähige Entwicklung der Objekte zu ermöglichen. Die Bewertung und Unterschutzstellung von Gebäuden oder ganzen Ensembles muss deshalb eine Auseinandersetzung im Einzelfall sein, die der jeweiligen Bauaufgabe, der Bautechnik oder dem Ensemble gerecht wird und sich deutlich von einer volkstümlichen, marketingkonformen „Etikettierung“ abgrenzt.Ansgar Schulz, geboren 1966 in Witten/Ruhr, studierte Architektur an der RWTH Aachen und der ETSA de Madrid. Sein Bruder Benedikt Schulz, geboren 1968 in Witten/Ruhr, studierte Architektur an der RWTH Aachen und der UC de Asunción/Paraguay. 1992 gründeten sie das Büro schulz & schulz mit Sitz in Leipzig. Seit 2010 leiten sie als Vertretungsprofessoren den Lehrstuhl Baukonstruktion an der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen der TU Dortmund. Seit der Bürogründung 1992 erhielten Ansgar und Benedikt Schulz über 100 Prämierungen bei Wettbewerben und Architekturpreisen. Beide Brüder sind regelmäßig Jurymitglieder bei Architektenwettbewerben, Planungsgutachten und Architekturpreisen.
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Anne Stengel / 9.4.2013 / 16:58

Kunsthistorikerin / Bauforscherin

Nein ...

Nein,…denn das kulturelle Gedächtnis braucht greifbare Stützen.Baudenkmäler prägen das Stadtbild und geben der Geschichtsschreibung einen fassbaren Rahmen. Für Architekten und Denkmalpfleger gilt es, sich einen Schritt entgegen zu gehen und nicht zu engstirnig zu agieren. Das heißt, miteinander zu kommunizieren, um die Ecke zu denken und Lösungen zu finden, die dem entsprechenden Gebäude zugeschnitten sind. Nutzbarkeit und Weiterentwicklung eines Gebäudes versus Erhalt der Authentizität und des Denkmalwertes. Nicht immer ein leichter Weg, jedoch ein Weg, den es sich lohnt zu gehen.   
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Oliver Elser / 9.4.2013 / 10:46

Kurator, Frankfurt

Nein ...

… wir brauchen nicht weniger Denkmalschutz. Wie hier – z.B. von Christian Schönwetter und Katrin Vetters – beschrieben wird, ist er ohnehin „vielerorts ein zahnloser Tiger“ oder „ein relativ stumpfes Schwert“. Mit Schrecken lese ich, dass die bkult-Debatte ein von Architekten gut gepflegtes Klischee aufwärmt. Im Intro zur Diskussion wird die Frage gestellt ob die „rigide Definition von Denkmalschutz, die nahezu jede Form von Veränderbarkeit und Anpassung an heutige Lebensverhältnisse ausschließt, noch haltbar ist.“. Ach, die bösen Denkmalpfleger, die sich gegen alles sperren und lieber ein Baudenkmal verrotten lassen – wenn es so viele davon gäbe, warum sind hier so wenige Leidensberichte von geknechteten Architekten und Bauherren zu lesen? Stattdessen hagelt es „Nein“-Stimmen. Nein, wir brauchen nicht weniger Denkmalschutz.Vielleicht prallen oft einfach nur zwei Welten aufeinander. In meinem Metier, der Museumsarbeit, geht es ja – unter anderem – um eine Art „Denkmalschutz für Gegenstände“. Jeder Kurator kennt diese Schauergeschichten, in denen scheinbar übervorsichtige Restauratoren und Archivleiter ein Unwesen treiben. Tja, so ist das eben. Freuen wir uns lieber darüber, dass es mitten im Kapitalismus Leute gibt, die dafür monatlich Geld bekommen, auch einmal „nein“ zu sagen zu Veränderungen.Ob wir vielleicht die falschen Denkmale haben (siehe Dieter Hoffmann-Axthelms Beitrag) oder den Denkmalsschutz zu stark an eine überforderte Verwaltung delegieren oder ob diese ganze Debatte über „weniger Denkmalschutz“ nicht eigentlich darauf zielt, dass unsere Architekten zu wenig in der Lage sind, auf historische Bauten angemessen zu reagieren, auch wenn gerade mal kein Denkmalpfleger mit dem Paragraphenknüppel bereitsteht – das wären doch spannendere Fragen!Nicht die Denkmalpflege ist doch daran schuld, dass wir so wenig Diokletianpaläste haben. Man muss sich nur mal an den deutschen Architekturfakultäten umsehen, welche Rolle dort Baugeschichte, ach das Wort ist viel so hoch gegriffen: Welche Rolle einfach nur der Umgang mit Kontext und Bestand beim Entwerfen spielt. Nämlich so ziemlich gar keine. Solange sich daran nichts ändert, kämpft die Denkmalpflege auf einsamem Posten. „Brauchen wir mehr Geschichte beim Entwerfen?“ – darauf ein donnerndes JA!(Und auf die Diskussion mit Jürgen Mayer H. freue ich mich schon!) Oliver Elser ist Kurator am Deutschen Architekturmuseum. Privat sammelt er B-Architektur . Zahlreiche Architekturkritiken für Zeitungen und Zeitschriften (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Texte zur Kunst, Bauwelt etc.). Lehrtätigkeit in Graz, Wien und Frankfurt am Main. Zuletzt Vertretungsprofessur an der FH Mainz mit einem Seminarthema zum Entwerfen zwischen Gemütlichkeit und Nachkriegsmoderne.
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Franz Jaschke / 9.4.2013 / 10:40

Dipl.-Ing. Architekt, Berlin

Nein ...

Das Lamentieren, Denkmalpflege sei investitionshinderlich statt -förderlich, ist bedauerlicherweise immer noch weitverbreitet, wenn auch mit abnehmender Tendenz. Ein breites Bewusstsein, dass Denkmalwürdigkeit gleichzeitig immer auch Qualität impliziert und insofern etwas Positives ausdrückt, sollte das gesellschaftliche und möglichst auch das politische Handeln bestimmen.Die Qualität oder besser gesagt, die vorhandenen Potenziale einer denkmalgeschützten baulichen Anlage zu erkennen, ist das entscheidende Kriterium, nicht zuletzt um sie auch im wirtschaftlichen Sinne nutzen zu können. Hier sind vor allem die Architektenkollegen angesprochen, denn die berühmten vier „E’s“ sind es, die beherrscht sein wollen, um mit denkmalgeschützter Substanz bewusst und letztlich auch profitabel umzugehen: Erkennen, Erfassen, Erhalten, Ertüchtigen. Vor allem letzteres erfordert intelligente, innovative Lösungen, die dem Denkmal in seiner Gesamtheit zuträglich sind.„Denkmalverträglichkeit“ - das ist im wahrsten Sinne des Wortes das entscheidende Kriterium. Aber - was ist denkmalverträglich? Wer entscheidet das? Gibt es hierfür eine objektive Sichtweise oder hängt es nicht doch immer wieder außer von den Planenden auch von der subjektiven Auffassung der Entscheidungsträger, sprich der genehmi- genden Behörde ab? Natürlich ist das eine Herausforderung.Man muss nicht erst das Beispiel Neues Museum in Berlin von David Chipperfield bemühen, um dasjenige Denkmalpflegeprojekt anzuführen, bei welchem kontrovers diskutiert werden kann, was denkmalpflegerisch „richtig“ oder „falsch“ ist. Unbestritten ist, dass hier von allen Beteiligten sehr viel Entscheidungskompetenz und auch sehr viel Mut gefragt war, um ein Stück besonderer Architektur im hochwertigen Denkmalbestand entstehen zu lassen.Als Beispiel aus der eigenen Praxis sei der Umbau des Zeughauses Unter den Linden in Berlin für die Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums angeführt. Ein vorliegender erster Entwurf mit abgehängten Decken und aufgeständerten Fußböden zur Unterbringung der neuen Gebäudetechnik war vom Bauherrn als ungeeignet erkannt worden – denn damit wäre die innere Wirkung des Zeughauses grundlegend verändert und dem Gebäude sein Charakter genommen worden. Mit einem dann ausgelobten Realisierungswettbewerb sollte eine Lösung gefunden werden, das Gebäude so zu konditionieren, dass es den Standard moderner Museen erfüllt – mit flächenmäßiger Optimierung und Vollklimatisierung der Ausstellungsbereiche sowie Erfüllung aller Sicherheitsanforderungen an Brandschutz, Entrauchung, Einbruchschutz etc.Es gelang uns, dies mit einem innovativen dezentralen Klimatisierungskonzept umzusetzen, von dem alle zunächst skeptischen Beteiligten zu überzeugen waren. Das Ergebnis gibt uns recht, vor allem in der Hinsicht, dass das Veto der Denkmalpflege zum ersten Umbaukonzept und die dann gestellten, hohen Anforderungen sich nicht negativ, sondern förderlich für das Baudenkmal ausgewirkt haben. Franz Jaschke, geboren 1955 in Meschede/ Nordrheinwestfalen, studierte Architektur an der TU Berlin. Seit 1983 arbeitet er für unterschiedliche Projekte mit Winfried Brenne zusammen. Gemeinsam gründeten sie 2001 die BRENNE GmbH anlässlich des Generalplanerauftrags zur Wiederherstellung der ehemaligen Bundesschule des ADGB in Bernau. Seit 2007 ist er Dozent  für Baupraxis und Denkmalpflege an der DenkmalAkademie Dresden.
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karin hartmann / 8.4.2013 / 22:31

freie architektin, paderborn

Nein ...

Weniger Denkmalschutz? In keinem Fall. Es ist immer noch Ermessenssache, was unter Schutz gestellt wird. Das merkt man. Je nach Stadt, je nach Bundesland und besonders von Ost nach West ist ein Gefälle deutlich erkennbar. In Weimar noch geschützt, in Paderborn längst abgerissen.Es geht ja auch um den Erhalt von Tradition, Bautradition. In Deutschland ist das Wissen um die gewöhnliche und gute Bautechnik weitgehend verloren gegangen. Möchte man sich in der Schweiz eine Holztreppe in das Haus bauen lassen, weiß der Tischler, was gemeint ist. In Deutschland müsste man sich erst lange einen Tischler suchen, der überhaupt noch eine Holztreppe bauen kann.Mit der Energiewende sind die Denkmäler unerwartet und von einer ganz neuen Seite bedroht. Diese massive, globale Bewegung macht vor Einzelstücken nicht halt. Trotz Ausnahmeregelungen bei der EnEV bekommt das Denkmal einen weiteren Stempel, den des Energieverschwenders. Das wird besonders im ländlichen Bereich dazu führen, dass noch mehr Substanz verloren geht.Das Denkmal hat ein Problem: Sein USP ist schlecht kommunizierbar, die „Mängel“ dagegen offensichtlich. Insofern kann ich Herbert Lohners Frage nach der Großen Bewegung im Denkmalschutz nachvollziehen: Es gibt zwar längst eine Bewegung, aber eben keine Lobby. Karin Hartmann ist frei Architektin mit eigenem Büro in Paderborn, das auf Wettbewerbsmanagement spezialisiert ist. Zuvor arbeitete sie für verschiedene Büros in Dresden, Berlin und Düsseldorf. Mit dem Büro in Paderborn baut sie gerade eine Initiative für Baukultur auf, mit dem Ziel mehr Wettbewerbe zu etablieren und den Denkmalschutz zu stärken.
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Jürgen Mayer H. / 8.4.2013 / 16:07

Architekt, Berlin

Ja ...

Auch wenn der Denkmalschutz zweifellos eine wichtige gesellschaftliche Errungenschaft ist, für dessen Arbeit ich oft genug dankbar bin, glaube ich dennoch, dass wir weniger Denkmalschutz gebrauchen könnten. Dafür brauchen wir mehr Autorenschutz. Denkmalschutz birgt immer eine gewisse Gefahr der kulturellen Entropie. Im verständlichen Bemühen, die Werte der Architekturgeschichte zu schützen, wird die Rolle der jeweils zeitgenössischen Architektur oft genug darauf reduziert, die Vergangenheit zu konservieren, oder zumindest ihre eigenen Beiträge möglichst an diesen historischen Bestand anzupassen. In der Baugeschichte gibt es aber unzählige Beispiele von hervorragenden Gebäuden, bei denen die einzelnen Bauphasen sich nicht immer interpretativ auf den Bestand zurück beziehen, sondern oft überraschende Sprünge und widersprüchliche Wendungen aufweisen. Dennoch – oder gerade deshalb – sind auf diese Weise im besten Sinne historische Bauten entstanden, die wir heute als spannend und sinnstiftend begreifen können.Baugeschichte funktioniert so gesehen wie ein cadavre exquis, jene surrealistische poetische Technik, die sich einem Gesellschaftsspiel der 1920er und 1930er Jahre verdankt („Consequences“). Bei diesem Spiel geht es darum, zusammen etwas zu erschaffen, ohne dass der Einzelne weiß, was die anderen machen. Das kann ein Satz sein, den man zusammen schreibt oder eine Zeichnung, die man zusammen erstellt. Wenn man zum Beispiel zusammen eine menschliche Figur zeichnen möchte, zeichnet der Erste den Kopf auf den oberen Teil des Papiers, faltet diesen um, so dass er unsichtbar wird. Der Zweite setzt nun den Oberkörper an, der dritte die Hüfte und der vierte die Beine. Am Ende faltet man das Papier auseinander und staunt über die entstandene Collage von Einzelelementen, die nicht aus einer Absicht geboren ist und dennoch ein funktionierendes Ganzes ergibt. Eine solche Akzeptanz des einzelnen Beitrags ohne Druck zur retroaktiven Anpassung würde ich mir auch im gesellschaftlichen Umgang mit Bauwerken wünschen, die über die Jahrhunderte immer weiter gebaut und umgebaut werden: Jeder baut auf das Vorhandene auf, fügt dem selbstbewusst das Seine hinzu und schafft damit wieder die Basis für spätere Ergänzungen. Auf diese Weise kann jede Phase auch ihre eigene Logik entwickeln, statt sich immer nur der baulichen Auslegung des Vergangenen verpflichtet zu sehen. Das wäre ein wahrhaft historisches Bauen: eine Produktion, nicht Reproduktion, von Geschichte, bei der jede zeitliche Phase die gleiche Wertigkeit hat und Altes nicht notwendiger Weise als wertvoller angesehen wird. Die einzelnen Phasen können sich dabei auch überlagern und teilweise „anknabbern“, wie man es in dem schönen Beispiel vom Diokletianspalast in Split sehen kann. Dass spätere Generationen dort Teile der ursprünglichen Bestandes durch Neues ersetzt haben, ist kein Widerspruch zum Prinzip des cadavre exquis, weil die Struktur des Palastes ja bis heute absolut les- und spürbar geblieben ist. Entscheidend ist, dass die unterschiedlichen Phasen immer ihrer eigenen Notwendigkeit und Intentionalität folgen durften und das originale Gebäude damit reicher machen konnten. Geschichte ist, so wie Architektur auch, eben immer Teamwork und work-in-progress. Jürgen Mayer H. studierte Architektur an der Universität Stuttgart, The Cooper Union New York und an der Princeton University. Seit 1996 unterrichtet er an verschiedenen Universitäten, u.a. an der Universität der Künste Berlin, am GSD der Harvard University, an der Architectual Association in London, der Columbia University in New York und an der Universität Toronto, Kanada. 1996 gründete er J. MAYER H. Architekten. Seine Arbeiten wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem 1. Preis des Audi Urban Future Award 2010. Aktuelle Projekte sind die Villa Dupli.Casa nahe Ludwigsburg, Metropol Parasol – die Neugestaltung der Plaza de la Encarnacion in Sevilla, und verschiedenen öffentliche und infrastrukturelle Bauten in Georgien, wie zum Beispiel der Flughafen in Mestia, der Grenzübergang in Sarpi und die Raststätten entlang der neuen Autobahn nahe Gori.
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Marie-Agnes Strack-Zimmermann / 8.4.2013 / 15:20

Bürgermeisterin, Düsseldorf

Jein ...

Einerseits bin ich entsetzt darüber, dass die Landesregierung die Mittel für den Denkmalschutz derart drastisch verringert, bin ich doch immer wieder begeistert von Denkmal geschützten Häusern, besonders bei Wohngebäuden aus der Vorkriegszeit, als auch Industriedenkmälern. Leider muss ich aber auch feststellen, dass gerade die Obere Denkmalschutzbehörde durch ihre restriktive Haltung viele Investitionen im Altbestand verhindert. Durch die völlige Starrheit oder besser gesagt Sturheit im Detail wird jedem Bauherrn, der bereit ist, Denkmäler zu erhalten und mit neuem und zeitgemäßen Leben zu erfüllen und entsprechend Geld in die Hand nimmt, es so gut wie unmöglich gemacht, Historisches mit Modernem zu verbinden. Mehr Pragmatismus wäre für die städtebauliche Entwicklung zwingend erforderlich. Die Folge wäre sonst, dass sich keiner mehr findet, ein Stück Geschichte in die Hand zu nehmen und zu erhalten. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, 55 Jahre, ist 1. Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Düsseldorf und Sprecherin der FDP-Ratsfraktion im Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung.
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Dieter Hoffmann-Axthelm / 8.4.2013 / 15:14

Architekturkritiker, Berlin

Jein ...

Ja und Nein. Denn es gibt wohl kaum zu viele Baudenkmale, wohl aber sind es oft die falschen. Statt um die Menge geht es also um die Kriterien der Auswahl. Hinter uns liegt eine kaum mehr kontrollierte Aufweitung des Denkmalbegriffs und der zugehörigen Planierung der Auswahlkriterien. Dafür gibt es viele Gründe, u.a. eine verunsicherte Gesellschaft, die Geschichtsbewusstsein ersetzt durch das Sammeln historischer Artefakte, durch immer mehr Museen und immer mehr Mahnmale und Gedenkrituale. Gleichzeitig hat man es mit dem Untergang eines Zeitalters zu tun – des industriegesellschaftlichen -, welches einen neuen Typus von Denkmalen entlässt, auf die die ästhetischen Kriterien des älteren Denkmalschutzes nicht mehr anwendbar sind. Sodass an die Stelle kunst- und bauwissenschaftlicher Kriterien ein archivalischer Positivismus gesetzt wird: Etwas wird allein dadurch zum Denkmal, dass es einen bestimmten historischen Zustand repräsentiert. Unter der scheinbar neutralen Oberfläche stecken dann allerdings, wie die hasserfüllte Modernismus- und insbesondere DDR-Modernismusdebatte zeigt, nicht als solche ausgewiesene politische Interessen.Dann wird es schwierig zu sagen, wo man haltmachen soll, zumal unstrittige historische bzw. technikgeschichtliche Kriterien nicht vorliegen. Es ist genau umgekehrt, wie man annehmen sollte: Worüber die ältere Denkmalpflege sich noch einigen konnte, das scheinbar so willkürliche und doch so überzeugende Kriterium Schönheit scheidet aus, während die scheinbar handfesten Kriterien zu einer Fülle von Unschärfen und Widersprüchen führen, so dass es, je jünger die Objekte sind, zu einem Sammeln heterogener Artefakte kommt.Dieser Positivismus setzt sich in der denkmalpflegerischen Praxis fort. Angesichts vormoderner Baudenkmale ist es mehr oder minder verpönt, die in längeren Zeiträumen angesammelte Umbaugeschichte zu negieren und wieder einen Urzustand herzustellen. Genau umgekehrt geht man mit Bauten der Moderne um: Hier wird das Entstehen von Gebäudegeschichte durch Umbau so weit wie möglich verhindert, es gilt der Erstzustand. Für diesen Widerspruch gibt es natürlich gute Gründe, Würde man diese aber offen genug diskutieren, müsste man die andere Ausgangslage moderner Bauten thematisieren, also den Graben, der vorindustrielles Bauen von industriellem trennt – also, dass es innerhalb des Denkmalsystems einen schicksalhaften Bruch gibt.Zugespitzt hat man dies im unseligen Ensemble-Begriff. Für den Barock mag er tauglich sein – aber was passiert, wenn mit haltlosen städtebaulichen Begründungen Exemplare einer Großtafelserie unter Schutz gestellt werden? Alle an historischer Substanz gewonnenen Kriterien des Denkmalschutzes greifen da nicht mehr. Vor allem wird die Grundkategorie des Denkmalschutzes unterlaufen: die nacherlebbar Ort, Bausubstanz, ästhetische Prägnanz und Nutzungsgeschichte umfassende Individualität des einzelnen Gebäudes, dessen Abbruch einen unwiederholbaren Verlust bedeutete.Damit ist, und nur sehr grob, eine bestimmte Zuspitzung benannt. Ihr gegenüber muss zweifellos die viele hervorragende Arbeit von Denkmalschutz- und Denkmalpflegeinstanzen in Schutz genommen werden, welche nach wie vor unersetzliche Substanz erhält. Aber genau diese Zuspitzung bezeichnet einen der beiden entscheidenden Punkte, wo die Denkmalpflege nicht nur den Kontakt mit der Gesellschaft zu verlieren droht, wo sie vielmehr sich selber aufs Spiel setzt. Das ist wie bei einer Autoimmunerkrankung, wo die Antikörper anfangen, sich gegen den Organismus zu wenden: Die Zerstörung kommt nicht von außen, sondern aus dem Inneren des Denkmalgedankens. Dieter Hoffmann-Axthelm, geboren 1940 in Berlin, ist freiberuflicher Theologe, Architekturkritiker und Stadtplaner. Er war Redaktionmitglied bei Arch+ und ist Mitherausgeber von „Ästhetik und Kommunikation“. 1996 bis 1999 beteiligte er sich am „Planwerk Innenstadt Berlin“ des Historischen Zentrums. Seine Themenschwerpunkte liegen heute u.a. in der kommunalen Selbstverwaltung, Flächenpolitik und Kommunalfinanzen.  Er erhielt den Kritikerpreis des BDA und ist Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande.
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Ben Buschfeld / 8.4.2013 / 10:56

Designer und Inhaber von Tautes Heim, Berlin

Nein ...

...denn gute Architektur ist oft der Ausdruck des kulturellen und gesellschaftlichen Umfelds einer Zeit und Bauaufgabe. Führt dies zu emblematisch herausragenden Bauten, helfen diese, Geschichte und Kultur für kommende Generationen lesbar zu machen und verdienen es, unter Schutz gestellt zu werden. Denn ein real begehbares Objekt hat einen viel höheren Vermittlungswert als eine Episode im Geschichtsbuch oder irgendeine Form von medialer Aufarbeitung und Dokumentation. Erst am konkreten Objekt wird Geschichte allgemein verständlich und erlebbar. Betrachtet man Gesamt-Berlin, kann und will ich mir natürlich nicht anmassen, zu beurteilen, ob alle Einträge in die Berliner Denkmalliste angemessen sind. Umgekehrt gedacht und gefragt, fällt aber auf, dass es in Berlin etliche Bauzeugnisse gibt bzw. gab, die besser frühzeitig unter Schutz hätten gestellt werden sollen. In diesem Punkt braucht die Berliner Politik gelegentlich den Blick von außen. Wer die Vielzahl der Touristen am Checkpoint-Charlie sieht, hat direkt vor Augen wie unklug der – im emotionalen Überschwangs des Moments zwar verständliche – Abriss von weiten Teilen der Mauer war. Das Gleiche gilt auch für den abgetragenen "Palast der Republik", wo eben jener Fehler wiederholt wurde und demnächst die kulissenhaft nachempfundenen Fassaden des gesprengten Hohenzollernschlosses den Palast, als das zweite authentische Zeugnis einer weltweit einzigartigen Stadtgeschichte, ersetzen sollen. Das ist für mich zwei mal Siegermentalität mit zweifelhaftem Geschichtsverständnis. In diesem Sinne scheint mir Denkmalschutz in der Politik nicht über-, sondern eher unterbewertet. Wir brauchen das Instrument des Denkmalschutzes als Korrektiv kurzsichtig agierender und kalkulierender Politiker und Bauherren. Gleichwohl muss ein moderner Denkmalbegriff natürlich immer auch die heutigen Anforderungen mit berücksichtigen. Im Idealfall werden auf diesem Weg überhaupt erst neue Nutzungspotenziale aufgezeigt oder entdeckt. Ben Buschfeld ist Diplom Kommunikationsdesigner und Inhaber von www.buschfeld.com – eines Studios für Grafik-, Web-, Interface- und Austellungsdesign. Mit seiner Frau, Landschaftsarchitektin Katrin Lesser, entwickelte er das soeben mit dem Europa Nostra Award 2013 ausgezeichnete Ferienhaus "Tautes Heim" – www.tautes-heim.de.  Er engagiert sich für den Denkmalschutz, ist im Vorstand des "Berliner Forums für Geschichte und Gegenwart" aktiv, arbeitet regelmäßig zu Architekturthemen und gehörte u.a. zu den Autoren des Initialkonzepts des Online-Portals "BauNetz". 
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Boris Paschotta / 8.4.2013 / 0:43

Architekt in Berlin

Ja ...

wenn die Voraussetzungen da wären: Grundsätzlich, denke ich, geht es um Sensibilität. Stellen wir uns vor, Architekten würden die Spuren der Vergangenheit vollends wahrnehmen und bewusst mit (oder im Bezug zu) ihnen arbeiten, auf das grundsätzlich Spektakuläre verzichten und lieber im Kontext des Ganzen arbeiten und gestalten, sich des Gesamtzusammenhangs wegen etwas zurücknehmen, das „richtige“ Verhältnis suchen, manche wiederum - die nicht direkt ein Gebäude umbauen – Kontrast bringen, auch mal Signale setzen ( die Denkmäler von morgen?) oder gerade nicht!, wenn die Auftraggeber ebenfalls dem Bestehenden das richtige Maß an Respekt zollten und die Denkmalpfleger um die Qualitäten dieser Architekten wüssten, dann wären wir vielleicht dem spannenden Weiterbauen einen großen Schritt näher gekommen. Eine Utopie. Und doch eine Herausforderung, die vielleicht in der Lehre dafür erste Keime setzen könnte. Die große Forderung, das Denkmal nicht zu „beeinträchtigen“ unterliegt oftmals der Interpretation des Denkmalpflegers. Da hört ich manchmal: „Bloß nicht irgendwie auffallen! Bauen Sie da einfach eine ganz normale glatte Wand mit einer Tür rein!“ Da bin ich echt enttäuscht, weil ich doch sehe, dass da ein Dialog mit dem vorhandenen möglich wäre! Diskret Bezüge herstellen… Wie wäre es mit einer Architektur der minimalen Differenz – zumindest in bestimmten Aspekten? Angleichung ist langweilig, Kontrast in Form von der Fuge, oder von „Hier ist das Alte, das ist das Neue“ ebenfalls. Es ist ja gerade spannend sich mit bestehendem Material zu beschäftigen, weil sich darin bereits die Antwort für die architektonische Aufgabe befindet! „ Das war doch schon mal, das ist doch postmodern!“? Aber wollen wir weiter immer nur „reduziert“ gestalten? Möglichst keinen Türdrücker mehr sehen, flächenbündig ist halt besser? Ich finde es stark, wenn Architekten sich was trauen! Auch mal in die historische Trickkiste greifen, ohne kitschig zu werden! Auch wenn die Sehnsucht nach Vergangenheit groß ist, auch wenn gerne immer noch historisierend gebaut wird, die Gesellschaft es verlangt! Ich glaube es ist mehr aus dem Dialog herauszuholen als nur das eine oder das andere! Und: die Zeit hat uns bereits weit weg vom „Historischen“ Bauen“ gebracht, dass ein bewusstes Anbiedern fast nicht mehr möglich ist… Es gibt bereits tolle Bespiele bekannter Architekten! Es wäre schön, wenn auch im Mittelfeld, d.h. in der alltäglichen Architektur (das Haus gegenüber) ein bisschen mehr Niveau gerade im Umgang mit dem Bestand einzöge. Arbeiten wir an der Utopie!  Boris Paschotta, Architekt, Dipl. Ing., M.A., seit 2004 Mitarbeiter bei Klatt und Vogler Architekten in Berlin, Projektleiter für diverse Bauten im Bestand, 2010-2011 Lehraufträge an der BTU Cottbus, 2008 Abschluss Aufbaustudium "Bauen und Erhalten" an der BTU Cottbus mit Masterarbeit "Eine Analyse von Kontextualität in der Spandauer Vorstadt"mit Masterarbeit "Eine Analyse von Kontextualität in der Spandauer Vorstadt"
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Herbert Lohner / 4.4.2013 / 22:34

Biologe, Referat Naturschutz beim BUND Berlin

Jein ...

..., denn wir brauchen einen Anderen.Denkmalschutz als Bewegung des Bewahrens steht in Deutschland vor großen Herausforderungen. Die gesellschaftliche Dynamik nimmt zu, die soziale Bindungsfähigkeit nimmt ab, die Heterogenisierung der Lebensverhältnisse schreitet voran.Gleichzeitig wandeln sich die Formen der Kommunikation, die neuen sozialen Medien, Twitter, Facebook, etc. erlauben den direkten Austausch von Informationen und Interessen unter den Bürgern. Die neuen Medien fungieren so auch als Instrumente einer bürgerschaftlichen Emanzipation gegenüber Parteien, Verbänden, Verwaltungen, „Funktionären“ aller Art. Ob Stuttgart 21, Bäume am Landwehrkanal und Fluglärminitiativen in Berlin, ohne diese neuen technischen Medien hätten sie nie und nimmer so viel Wirkung erzielt.Aber nutzt das dem Denkmalschutz, nutzt das der Denkmalschutz? Kaum. Er verlässt sich weiter wie eh und je vor allem auf seine Rechtsinstrumente und Amtsstuben. Die Anwendung von Rechtsinstrumenten für sich allein schafft aber noch keine Akzeptanz, weder beim Besitzer noch in der Öffentlichkeit; insbesondere dann, wenn der Eindruck entsteht, das Denkmal eher vor dem Menschen zu schützen als für ihn.Resultat: Wenig politische Durchschlagskraft.Dabei wäre, ähnlich wie für den Naturschutz, eine große gesellschaftliche Offenheit für seine bewahrende Zielstellung zu vermuten, vielleicht gerade wegen der beunruhigenden sozialen Beschleunigungsprozesse.Warum gibt es aber Die Große Bewegung für den Denkmalschutz nicht, warum hat der Denkmalschutz keinen BUND oder NABU hervorgebracht? Es wäre eine historische Untersuchung wert.Dem Denkmalschutz fehlt jedenfalls die große zivilgesellschaftliche Sichtbarkeit, es fehlt das politische NGO-Spielbein. Oder … Gibt es das Spielbein schon? In „§ 1, Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege“ des Bundesnaturschutzgesetzes heißt es, zu bewahren sind - im besiedelten und unbesiedelten Bereich - Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft, auch mit ihren Kultur-, Bau- und Bodendenkmälern.Sollten vor diesem Hintergrund Denkmalschutz und Naturschutz, eingedenk ihrer gemeinsamen historischen Wurzeln, nicht wieder zusammen für ihre Werte einstehen? Wandel tut not. Tja … Herbert Lohner, geb. 1955 in der Oberpfalz, studierte Forstwissenschaften, Biologie und Philosophie in München, Wien und Berlin. Zum Wirken des BUND in der Großstadt, hier Berlin, gehört es auch, die Belange von Naturschutz, Gartendenkmalschutz und Bürgerinteressen zusammen zu führen - nicht immer ohne Konflikte.
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Christian Schönwetter / 4.4.2013 / 15:44

Redakteur Metamorphose, Stuttgart

Nein ...

Die Einschränkungen, die der Denkmalschutz für Bauherren und Architekten mit sich bringt, sind marginal. Nur ca. 5 Prozent aller Gebäude Deutschlands stehen unter Schutz, d.h. mit den übrigen 95 Prozent kann man machen, was man will. Das sollte reichen. Und selbst bei den geschützten Gebäuden habe ich noch nie von einer völligen Veränderungssperre gehört. Denkmalpfleger sind in aller Regel gesprächsbereit und suchen nach vernünftigen Kompromissen. Nur zwei Beispiele: Die Kohlenwäsche in Essen, umgebaut von Rem Koolhaas, oder auch das Militärhistorische Museum in Dresden mit Daniel Libeskinds spektakulärem Keil zeigen doch eindrücklich, dass Denkmalschützer auch massive Eingriffe in ein Bauwerk mittragen, wenn das Konzept stimmt. Bauen im Denkmal erfordert Spezialkenntnisse. Nur wer sich in Baugeschichte, Denkmalrecht und historischen Bautechniken gut auskennt, wird erfolgreich mit denkmalgeschützten Gebäuden umgehen können. Wer dagegen lediglich mit seinem Neubau-Knowhow an ein Denkmal herangeht, wird schnell scheitern. Es lohnt sich beispielsweise genau hinzusehen, warum ein Gebäude überhaupt unter Schutz gestellt wurde. Denn das Denkmalamt darf nur diejenigen Veränderungen untersagen, die im Lichte der Unterschutzstellung überhaupt relevant sind. Daher ist nur sehr selten das gesamte Gebäude von einer Veränderungssperre betroffen. Außerdem hat das Amt einen Ermessenspielraum. Bauherr und Architekt können also "Gegengeschäfte" vorschlagen: Da sie nicht zur aktiven Verbesserung des Denkmals verpflichtet sind, können sie anbieten, dem Denkmal freiwillig etwas Gutes zu tun, etwa eine Wandmalerei zu restaurieren, im Gegenzug kann das Amt an anderer Stelle einen Kompromiss eingehen, etwa ein umstrittenes Dachfenster zulassen. Nicht zuletzt gibt es in den Denkmalgesetzen noch den Paragrafen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit – einem Bauherren müssen Veränderungen erlaubt werden, wenn sie zwingend nötig sind, um eine wirtschaftliche Nutzung des Gebäudes sicherzustellen. (Weitere Infos gibt es z.B. unter http://metamorphose.tpk6.de/2011006/ ) Der Denkmalschutz ist also ein relativ stumpfes Schwert, vor dem sich kein Bauherr oder Architekt fürchten muss. Im Gegenteil: Die Denkmalpfleger sind meist hochkompetente Berater. Es lohnt sich, sie als Fachplaner wie Statiker oder Bauphysiker zu begreifen und ihr Fachwissen anzuzapfen. Und das gibt es sogar gratis. Christian Schönwetter studierte Architektur an der Universität Karlsruhe. Er arbeitete als freier Journalist für verschiedene Architekturzeitschriften und leitet seit 2007 die Redaktion des Fachmagazins "Metamorphose – Bauen im Bestand".
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Ingrid Scheurmann / 4.4.2013 / 14:16

Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Nein ...

Wie viel oder wie wenig Denkmalschutz resp. wie viele Denkmale unsere Gesellschaft braucht, lässt sich meines Erachtens nicht in der Weise quantifizieren, die die Frage unterstellt. Die Aussage, dass sich die Zahl der Denkmale seit 1970 versiebzigfacht habe, mag man als Beleg für eine „Denkmalisierung der Landschaft“ verstehen, aber ebenso gut als Hinweis darauf, wie viel der Denkmalschutz inzwischen erreicht hat bzw. wie wenige historische Bauten in der unmittelbaren Nachkriegszeit als Denkmale ausgewiesen waren. Ob es insgesamt 3 oder 4 oder 5 Prozent der gesamten Bausubstanz sind, die heute unter Schutz stehen, und wie ihre Relation zu Neubauten zu bewerten ist, ob es ggf. auch zu viel Neues gibt, ist eine Frage der Perspektive und des Interesses.Warum stört Denkmalschutz – und warum vielleicht auch mehr als die Aktivitäten anderer Einrichtungen des Sammelns und Konservierens, mehr als der anhaltende Museumsboom oder auch die kontinuierliche Ausdehnung des Archivguts? Sind die nicht nur auf Superlative, sondern auch in die Breite ausgedehnten Aktivitäten des gegenwärtigen „Zeitalters des Gedenkens“ (Pierre Nora) ihrer Motivation nach auch vergleichbar, so zeitigen sie doch unterschiedliche Auswirkungen für den Alltag jedes Einzelnen und die Gesellschaft als solche. Repräsentative Ausstellungs- und Museumsbauten signalisieren Werthaltigkeit und unterstreichen dies durch besondere Formen der Inszenierung der ihnen anvertrauten Exponate. Denkmale hingegen – zumal Bauten jüngeren Datums – sind Teil unseres Alltags und werden in ihrer Besonderheit von Vielen nicht erkannt. Zeugnisse von Gesellschafts- oder Architekturgeschichte sind sie dessen ungeachtet aber doch; mehr als Schlösser oder Sakralbauten benötigen sie indes der Vermittlung und öffentlichen In-Wert-Setzung. Da es hier Defizite gibt, stören auch die Auflagen, die mit Unterschutzstellungen verbunden sind. Diese zielen keineswegs darauf ab, einen historischen Bau unter die immer wieder zitierte „Käseglocke“ zu setzen, vielmehr suchen Konservatoren die erkannten und ihren Denkmalwert begründeten Qualitäten dieser Bauten so unverfälscht wie möglich zu bewahren – und dies, ohne zeitgemäße Nutzungen zu blockieren oder gar unmöglich zu machen. Kreative und zugleich nachhaltige Lösungen sind deshalb von Architekten wie Denkmalpflegern gleichermaßen gefragt. Dessen ungeachtet werden Denkmalpfleger, die regulierend in das Baugeschehen eingreifen, oft als „Verhinderer“ betrachtet und – so wie im Eingangsstatement – „lebendige Nutzungen“ als Alternative zum Denkmalschutz beschworen. Jeder, der mit der Materie ein wenig vertraut ist, weiß jedoch, dass Nutzungen seit jeher Ziel der Denkmalpflege sind, insofern ist der Unmut, der aus dem unterstellten „rigiden“ Denkmalschutz resultieren mag, eigentlich ein Popanz. Missfallen und Widerstand regen sich in einer Gesellschaft, die Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung fortwährend auf ihre Fahnen schreibt, gegenüber einer Einrichtung, die sich – neben dem Umweltschutz – genau diesen gesellschaftlichen Zielen seit langem verschrieben hat. Gerade Architekten und Stadtplaner beklagen die Auflagen, die die Denkmalpflege für Bauen im Bestand formuliert. Sie selber würden oft leichten Herzens auf die Bauten ihrer Vorgänger und Lehrer verzichten, die die Denkmalpflege aus den beschleunigten gesellschaftlichen Erneuerungsprozessen herauszunehmen und im Sinne der Bewahrung kultureller Vielfalt zu erhalten sucht. Dass die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Fachleuten nicht immer so funktioniert wie sie sollte, sei dahingestellt, und auch nicht jede denkmalpflegerische Auflage wird der Überprüfung standhalten. Die Frage nach einem „Zuviel“ an Denkmalen impliziert aber immer eine Infragestellung der für sie zuständigen Institutionen. Das halte ich für kulturell kurzsichtig, wenn nicht verantwortungslos. Ein Architekt war es, der sich ein Land ohne historische Bauten nicht vorstellen konnte und eine solche Perspektive mit einer nackten, kalten und zuvor unbewohnten Kolonie verglich – Karl Friedrich Schinkel. 1815 skizziert er die Grundlagen des modernen Denkmalschutzes. Dr. Ingrid Scheurmann ist seit 1995 bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz tätig, dort Leiterin der Denkmalvermittlung und verantworltich u.a. für die Denkmaldebatten. 2008–2012 Vertretungsprofessorin für Denkmalkunde und angewandte Bauforschung an der TU Dresden. Derzeit Dozentin an der TU Dortmund. Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., Mitglied des Brandenburgischen Landesdenkmalrats und von Icomos. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte und Theorie der Denkmalpflege.
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Thomas Will / 4.4.2013 / 14:03

Architekt und Professor für Denkmalpflege und Entwerfen an der TU Dresden

Nein ...

„…die Menge der Denkmale in Deutschland versiebzigfacht“? Das ist ja erst mal eine steile These. Sie ist schon deshalb wackelig, weil die Denkmallisten in vielen Bundesländern nicht konstitutiv sind. Das Gesetz definiert Kriterien – sind sie erfüllt, ist es ein Denkmal, auch wenn es nicht erfasst ist. Genau genommen ist also nicht die Menge der Denkmale gestiegen, sie wurden nur in größerer Anzahl erkannt. Warum wohl? Wenn die Zahl der Denkmale zunimmt, absolut oder gefühlt, dann doch nicht, weil wir neue bauen. Sondern weil die Wahrnehmung der Verluste und der Gefährdung des Bestands uns veranlasst, schützend einzugreifen. Analog könnte man feststellen, dass seit 1970 auch die Menge der bekannten natürlichen Arten enorm gestiegen ist, vor allem die Zahl derer, die geschützt sind. Brauchen wir also weniger Artenschutz? Als Ronald Reagan die Redwood-Wälder Kaliforniens zum Einschlag freigeben wollte, meinte er: „If you’ve seen one, you’ve seen them all!“ Ihm hätte es genügt, ein Belegexemplar zu erhalten. Aber lassen wir die Zahlenspiele. Es wird gefragt, „ob die rigide Form von Denkmalschutz, die nahezu jede Form von Veränderbarkeit und Anpassung an heutige Lebensverhältnisse ausschließt, noch haltbar ist?“ Natürlich nicht! Aber es gibt sie auch kaum. Eine rhetorische Frage also. Bei Pfalzkapellen, Renaissance-Decken, dem einzigen barocken Opernhaus, den Resten eines KZ und etlichem mehr sollten wir aber froh sein, dass es rigide Schutzinstrumente gibt. Wir wollen diese Erbschaften ja gerade deshalb erhalten, weil sie unangepasst sind, anders als das, was unsere Zeit zu produzieren vermag.Sollte man den Schutz nicht dennoch etwas lockern? Das Beispiel der Transformation von Split ist natürlich grandios, auch Denkmalpfleger bewundern das. Aber die Schlussfolgerung ist sentimental und naiv. Eine „pragmatische Vorgehensweise“ würde heute doch ganz anders ablaufen. Pragmatisch – also ohne kulturell begründete Schutzbemühungen – wäre es heute, das Ding wegzureißen und neu zu bauen (gerne in alter Form), wie es ja oft genug geschieht. Leider greift auch der zweite Vorschlag – die Beschränkung des Schutzes auf „räumliche Strukturen und Dimensionen“ – zu kurz. Er scheint weniger dem Wunsch der Bürger als dem der Bauwirtschaft entsprungen. Die Anerkennung der städtebaulichen Bedeutung ist ja richtig. Aber es ist doch gerade die Sehnsucht nach reichhaltigen und vielgestaltigen Räumen, mit Details, die Geschichten erzählen, die historische Stadtquartiere so populär macht.Gewiss würde „so mancher Bürger […] größere Gestaltungsmöglichkeiten beim Umgang mit Baudenkmalen begrüßen.“ Die überwiegende Mehrheit allerdings begrüßt es, diesen kleinen Anteil des Baubestands (ca. 5%) vor kurzsichtigen Verwertungsinteressen zu schützen. Wie dieser Schutz am besten verfasst sein soll, das ist allerdings diskussionswürdig. Es ist im Grunde auch Ziel des organisierten Denkmalschutzes, sich selbst entbehrlich zu machen, indem sein Auftrag anderweitig gut erledigt wird. Trotz einzelner Fortschritte ist so ein Zustand aber ganz und gar nicht in Sicht. Deshalb: besseren und besser begründeten Denkmalschutz, nicht weniger! Thomas Will ist Architekt und Professor für Denkmalpflege und Entwerfen. Studium in München, Zürich und New York, Mitarbeiter von O. M. Ungers, dann eigenes Büro mit T. Valena in München, Gastprofessur in den USA, seit 1994 an der TU Dresden, 2003-2006 Dekan der Fakultät Architektur, Mitglied u. a. bei ICOMOS, im Gestaltungsbeirats der Hansestadt Lübeck und im Landesdenkmalrat Sachsen. Publikationen zu Architektur, Stadtentwicklung und Denkmalpflege.
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Katrin Vetters / 4.4.2013 / 12:42

Freie Journalistin

Nein ...

 Seit 1970 hat sich die Zahl der Denkmale versiebzigfacht? Das klingt, als erlebten wir eine Denkmal-Inflation. Bevor wir aber sagen, "Stopp, es reicht", wüsste ich doch gern, was denn eigentlich die Folgen dieser (massenhaften) Unterschutzstellung sind. Denn wie können wir eine Maßnahme bewerten, wenn wir über ihre Wirksamkeit - oder eben Unwirksamkeit - nur unzureichende Informationen haben? Wäre hier nicht mal eine Art Monitoring notwendig?Was also bewirkt Denkmalschutz?Im Eingangstext zu dieser Diskussion heißt es, dass die Unterschutzstellung die Eigentümer bei der (Um-)Nutzung eines Bauwerks hindern kann. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Realität. (Ich kenne keinen einzigen Fall, wo der Denkmalstatus eine bestimmte beabsichtigte Nutzung verhindert hätte. Im Gegenteil, meist wird der Denkmalstatus zum Werbeargument für welche Gebäudenutzung auch immer). Ursprünglich soll die Unterschutzstellung ja nicht in erster Linie die Nutzung verhindern, sondern sie soll die Achtung vor dem Bauwerk befördern. Und in unzähligen Fällen erreicht sie auch genau das.Szenario 1: Private Hausherrinnen und Hausherren sind stolz auf ihr Denkmal, lassen sich von den Konservatoren beraten, ziehen spezialisierte Architekten und Handwerker hinzu, sanieren behutsamst, forschen, recherchieren und tragen die Geschichte ihres Gebäudes stolz in die Welt. Aber auch das ist wieder nur ein kleiner Teil der Realität. Denn fast ebenso häufig ist Szenario 2: dass Erben das Attribut "Denkmal" für einen Freifahrtschein zur Gewinnabschöpfung halten. Sie glauben, mit dem ererbten Denkmal, von dem sie allzu oft keine Ahnung haben, den großen Reibach machen zu können. Die Folge: Der Verkaufspreis wird zu hoch angesetzt, es findet sich kein Käufer. Leerstand - Frustration - Verfall - mehr Frust - weiterer Verfall. Profundes Desinteresse, auch nur die allernotwendigsten Maßnahmen zum Erhalt des "wertvollen" Bauwerks zu ergreifen. Dieses Trauerspiel beobachte ich besonders häufig bei Denkmalen in der Provinz, wo ohnehin der Bedarf an Wohn- und Gewerberäumen sinkt und sich erst recht kein Investor ein heikles Denkmal aufhalst, bei dem der finanzielle Aufwand für Sanierung oder auch nur den Erhalt im Vorhinein überhaupt nicht absehbar ist.Übrigens sind es keineswegs nur private Erben, bei denen Ahnungslosigkeit und Geldgier den sinnvollen Umgang mit einem Denkmal vereiteln. Sondern -  Szenario 3 - es sind auch "erbende" Unternehmen wie etwa die Deutsche Bahn, die Hunderte von Immobilien auf dem platten Land versilbert - oder sie verfallen lässt, weil ihre Makler zu marktgerechter Preisgestaltung nicht fähig oder willens sind. Natürlich stehen nicht alle diese Bauten unter Denkmalschutz. Aber die, die formal unter Schutz gestellt wurden, schützt das genauso wenig vor dem Verderb.Dann gibt es noch - Szenario 4 - Eigentümer, die ein Denkmal absichtlich zerstören oder verfallen lassen, um es zu entmieten oder eine Abrissgenehmigung zu erzwingen. Übrigens ohne irgendwelche Sanktionen fürchten zu müssen.Fazit: Vor Gier und Gleichgültigkeit schützt der Denkmalschutz leider nicht. Deshalb zurück zu meiner Eingangsfrage: Was vermag er überhaupt? Er ist vielerorts ein zahnloser Tiger, ein reiner Verwaltungsakt, eine hilf- und wirkungslose Absichtsbekundung, die - Szenario 5 - allenfalls von Immobilienentwicklern als Vermarktungsargument benutzt wird, um wiederum oft ahnungslose Käufer zu blenden und irrezuführen - Stichwort Steuern sparen.Also alles sinnlos? Denkmalschutz überflüssig? Also weniger Denkmalschutz?Nein. Bitte mehr. Aber richtig. Mitbürgerinnen und Mitbürger haben ein großes Interesse daran, unsere bauliche Geschichte zu erfahren. Das fördert im Übrigen die regionale Identifikation. Es ist immer eine Auszeichnung für einen Ort, wenn er Denkmale aufzuweisen hat. Aber Denkmalschutz muss mehr sein als ein Verwaltungsakt. Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bemühen sich teils sehr erfolgreich, Verständnis und Wissen zum Thema Baukultur zu fördern. Wir alle, die wir in und mit der Öffentlichkeit arbeiten sind gefordert, das zu unterstützen. Katrin Vetters ist freie Journalistin, Text- und Video-Autorin mit den Themenschwerpunkten Immobilien, Architektur, Energie. Für ihre Beitragsreihe "Denkmal zu verkaufen" (SWR 2009) wurde sie mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz 2010 ausgezeichnet. Als Fernsehautorin für den Südwestrundfunk hat sie seit 1998 mehr als 450 Filmbeiträge produziert, viele davon in den Themenfeldern Architektur, Gebäudesanierung, TGA und Denkmalschutz (hier eine Auswahl). 
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Benedikt Hotze / 3.4.2013 / 17:05

Architekturjournalist, Berlin

Nein ...

Nichts gegen ein selbstbewusstes „Weiterbauen“ wie in Split – so entstehen großartige Ensembles aus verschiedenen Epochen. Aber das singuläre Beispiel kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir hierzulande eher zu wenig als zu viel Denkmalschutz haben. Provokation? Nein, Realität. Denkmalschutz wird überall abgebaut, entmachtet und ruhig gestellt. Den Nutzen haben stets diejenigen, denen Denkmäler bei ihren Renditeinteressen im Weg stehen. Und auf diese Seite möchte ich mich nicht stellen. Ihr?Zwei Beispiele aus der jüngsten Zeit:Das Konsistorium an der Bachstraße in Berlin, 1968-71 von Georg Heinrichs und Hans-Christian Müller als herausragender Vertreter der „Space-Age“-Architektur jener Jahre errichtet, konnte von der evangelischen Kirche 2011 abgerissen werden, weil es nicht unter Denkmalschutz stand. Es war zwar unbedingt denkmalwürdig, das Landesamt für Denkmalschutz hat aber einen derart krassen Personalmangel, dass man einfach noch nicht dazu gekommen war, diese Bauaufgabe für diese Epoche zu inventarisieren. So etwas machen die Denkmalschützer nämlich systematisch und nicht fallweise – gerade weil sie nicht willkürlich handeln wollen. Diese noble Haltung hat dem Denkmal das Leben gekostet. Jetzt verdient die Kirche mit dem Grundstück richtig Geld.Beim Okerhochhaus der TU Braunschweig, 1954 von Dieter Oesterlen errichtet und als Denkmal eingetragen, hat das Staatliche Baumanagement kürzlich die gesamte Fassade ausgetauscht und dabei Sandwichplatten montiert, auf denen die ursprünglichen Materialien nur noch als hauchdünne Imitation aufgebracht sind. Am Außenbau des Hochhauses ist kein Fitzelchen Originalsubstanz mehr erhalten; die Details sehen gruselig aus. Die zuständige Beamtin gibt zu, dass man das auch besser hätte machen können, nur musste ganz schnell Geld aus dem Konjunkturpaket verbraten werden. Die involvierten Denkmalpfleger mussten das wohl nolens volens abnicken, weil sie sich sonst dem Vorwurf ausgesetzt hätten, die Konjunktur zu behindern. Und das trauen sie sich heute nicht mehr. Benedikt Hotze, geboren 1964 in Essen, hat in Braunschweig und Lausanne Architektur studiert. Seit 1990 als Journalist tätig, wurde er nach seinem Diplom 1993 Redakteur der Bauwelt. Ab 1996 hat er als Gründungs-Chefredakteur das deutsche Architekturportal BauNetz mit auf. Heute ist er Redaktionsleiter bei BauNetz und zudem als Autor, Blogger und Fotograf unterwegs. Konsistorium an der Bachstraße in Berlin, 1968-71 von Georg Heinrichs und Hans-Christian Müller, Foto: Benedikt Hotze Okerhochhaus der TU Braunschweig, 1954 von Dieter Oesterlen, Foto: Benedikt Hotze
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Jürgen Mayer H. / 8.4.2013 / 16:07

Architekt, Berlin

Ja ...

Auch wenn der Denkmalschutz zweifellos eine wichtige gesellschaftliche Errungenschaft ist, für dessen Arbeit ich oft genug dankbar bin, glaube ich dennoch, dass wir weniger Denkmalschutz gebrauchen könnten. Dafür brauchen wir mehr Autorenschutz. Denkmalschutz birgt immer eine gewisse Gefahr der kulturellen Entropie. Im verständlichen Bemühen, die Werte der Architekturgeschichte zu schützen, wird die Rolle der jeweils zeitgenössischen Architektur oft genug darauf reduziert, die Vergangenheit zu konservieren, oder zumindest ihre eigenen Beiträge möglichst an diesen historischen Bestand anzupassen. In der Baugeschichte gibt es aber unzählige Beispiele von hervorragenden Gebäuden, bei denen die einzelnen Bauphasen sich nicht immer interpretativ auf den Bestand zurück beziehen, sondern oft überraschende Sprünge und widersprüchliche Wendungen aufweisen. Dennoch – oder gerade deshalb – sind auf diese Weise im besten Sinne historische Bauten entstanden, die wir heute als spannend und sinnstiftend begreifen können.

Baugeschichte funktioniert so gesehen wie ein cadavre exquis, jene surrealistische poetische Technik, die sich einem Gesellschaftsspiel der 1920er und 1930er Jahre verdankt („Consequences“). Bei diesem Spiel geht es darum, zusammen etwas zu erschaffen, ohne dass der Einzelne weiß, was die anderen machen. Das kann ein Satz sein, den man zusammen schreibt oder eine Zeichnung, die man zusammen erstellt. Wenn man zum Beispiel zusammen eine menschliche Figur zeichnen möchte, zeichnet der Erste den Kopf auf den oberen Teil des Papiers, faltet diesen um, so dass er unsichtbar wird. Der Zweite setzt nun den Oberkörper an, der dritte die Hüfte und der vierte die Beine. Am Ende faltet man das Papier auseinander und staunt über die entstandene Collage von Einzelelementen, die nicht aus einer Absicht geboren ist und dennoch ein funktionierendes Ganzes ergibt. Eine solche Akzeptanz des einzelnen Beitrags ohne Druck zur retroaktiven Anpassung würde ich mir auch im gesellschaftlichen Umgang mit Bauwerken wünschen, die über die Jahrhunderte immer weiter gebaut und umgebaut werden: Jeder baut auf das Vorhandene auf, fügt dem selbstbewusst das Seine hinzu und schafft damit wieder die Basis für spätere Ergänzungen. Auf diese Weise kann jede Phase auch ihre eigene Logik entwickeln, statt sich immer nur der baulichen Auslegung des Vergangenen verpflichtet zu sehen. Das wäre ein wahrhaft historisches Bauen: eine Produktion, nicht Reproduktion, von Geschichte, bei der jede zeitliche Phase die gleiche Wertigkeit hat und Altes nicht notwendiger Weise als wertvoller angesehen wird. Die einzelnen Phasen können sich dabei auch überlagern und teilweise „anknabbern“, wie man es in dem schönen Beispiel vom Diokletianspalast in Split sehen kann. Dass spätere Generationen dort Teile der ursprünglichen Bestandes durch Neues ersetzt haben, ist kein Widerspruch zum Prinzip des cadavre exquis, weil die Struktur des Palastes ja bis heute absolut les- und spürbar geblieben ist. Entscheidend ist, dass die unterschiedlichen Phasen immer ihrer eigenen Notwendigkeit und Intentionalität folgen durften und das originale Gebäude damit reicher machen konnten. Geschichte ist, so wie Architektur auch, eben immer Teamwork und work-in-progress.

 

Jürgen Mayer H. studierte Architektur an der Universität Stuttgart, The Cooper Union New York und an der Princeton University. Seit 1996 unterrichtet er an verschiedenen Universitäten, u.a. an der Universität der Künste Berlin, am GSD der Harvard University, an der Architectual Association in London, der Columbia University in New York und an der Universität Toronto, Kanada. 1996 gründete er J. MAYER H. Architekten. Seine Arbeiten wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem 1. Preis des Audi Urban Future Award 2010. Aktuelle Projekte sind die Villa Dupli.Casa nahe Ludwigsburg, Metropol Parasol – die Neugestaltung der Plaza de la Encarnacion in Sevilla, und verschiedenen öffentliche und infrastrukturelle Bauten in Georgien, wie zum Beispiel der Flughafen in Mestia, der Grenzübergang in Sarpi und die Raststätten entlang der neuen Autobahn nahe Gori.

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Dirk E. Haas / 9.4.2013 / 19:36

Jein ...

Das ist ein schöner und anregender Text, mit dem man sich gerne beschäftigt, zumal die Grundhaltung, die auf ein selbstbewusstes, situationsangepasstes Weiterbauen und partielles Überschreiben vorhandener Architektur hinausläuft und der Gegenwart eben nicht weniger Wert einräumt als der Vergangenheit, sehr plausibel erscheint. Allerdings helfen Analogien zur Technik des „cadavre exquis“ nur sehr bedingt, denn anders als im surrealistischen Spiel kennt die Architektin, die 2013 ein Gebäude weiterbaut, natürlich die Ergebnisse des Kollegen, der dieses Gebäude in 1913 (oder 1513) entworfen und gebaut hat. Sie setzt sich, ob sie will oder nicht, mit diesem Material, diesem „Erbe“, auseinander, während der Sinn und der Reiz des cadavre exquis ja gerade darin besteht, nicht zu wissen, was der oder die Andere zuvor entworfen hat. Oder um es am gewählten Beispiel Split deutlicher zu machen: Wer heute an der Altstadt Splits weiterbauen möchte, tut dies mit dem konkreten Wissen um die Arbeit derjenigen, die dies in den vergangenen Jahrhunderten getan haben. Wenn Raum und Ressourcen zudem begrenzt sind (also z.B. die Außenmauern des Palastes auch künftig als Begrenzungen der Innenstadt wirken sollen), ist dieses Weiterbauen auch kein einfach additives Ergänzen des bereits Vorhandenen, sondern ein Verändern und partielles Überschreiben, gegen das sich die historischen „Autoren“ aus vergangenen Jahrhunderten natürlich nicht mehr erwehren können. Insofern kommt mir die Rede vom „teamwork“ über Jahrhunderte auch etwas euphemistisch vor. Nein, die Altstadt von Split ist keine Produktion im Geiste von „Der köstliche Leichnam wird den neuen Wein trinken“. Mir käme – als Prinzip – eher das „as found“ der Smithsons in den Sinn.
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Thomas Will / 14.4.2013 / 0:04

Nein ...

Kompliment, eine gelungene Provokation, dieser Beitrag. Aber vielleicht zu sophisticated? Vermutlich dachten die meisten, er sei ernst gemeint. Dabei ist der Hinweis mit den Surrealisten (die zwar große Künstler, aber miserable Architekten waren) doch recht offenkundig. Der lustige Effekt bei „Consequences“ entsteht ja,weil man das Vorangehende nicht kennt. Nun wird der Autor aber nicht im Ernst für die völlige Unkenntnis des historischen Bestands plädieren, damit wir dort unbefangener, sprich selbstbewusster agieren können. So deutet manches darauf hin, dass wir es hier mit einer geschickten Satire auf jene Architekten zu tun haben, die ohne jegliches historische Bewusstsein ihre „oft überraschenden Sprünge und widersprüchlichen Wendungen“ vollziehen möchten. „Jeder baut auf das Vorhandene auf, fügt dem selbstbewusst das Seine hinzu und schafft damit wieder die Basis für spätere Ergänzungen.“ Ja wenn es so einfach wäre. Nur zu gerne wünschen sich einige von uns in die guten alten Zeiten von Bramante oder Dientzenhofer zurück, als man für neue Architektur mitunter ebenbürtiges Altes selbstbewusst negieren konnte. Sofern der Bauherr Papst oder Fürst war; sonst war das praktisch nicht möglich, da viel zu aufwendig. Aber war da nicht seither etwas? Unterscheidet sich das Bauen in der Moderne – egal wie es aussieht – nicht grundsätzlich von den Möglichkeiten früherer Zeiten, etwa so, wie sich der heutige hochautomatisierte Großwildjäger vom Indianer mit Pfeil und Bogen unterscheidet? Hatte die Einführung des Denkmalschutzes also nicht etwas mit historischen Prozessen und Erfahrungen zu tun, auch mit einer Emanzipation, die das Recht des Stärkeren in die Schranken weist, um Minderheiten (in Natur und Kultur) ein weiteres Dasein zu sichern? Jeder von uns Architekten gebietet heute über zigfach größere Möglichkeiten des Eingreifens in das Vorgefundene als zu Zeiten der so gern beschworenen Transformation eines Diokletianspalastes. Vor dem allzu rücksichtslosen Gebrauch dieser modernen Macht des industrialisierten Bauwesens sucht der Denkmalschutz die bedeutendsten und zugleich oft schwachen Bauwerke der Vergangenheit zu bewahren. Auf ihnen baut im Übrigen unser gesamte Metier auf. Weil aber einige doch lieber ungehemmt ihr Eigenes bauen wollen, hüllen sie sich hier in naive Ahnungslosigkeit.In jenen Kommentaren, die weniger Schutz für Baudenkmale fordern, ist gleich mehrfach de Rede vom „selbstbewusst dem Alten gegenübertreten“. Das erinnert, mit Verlaub, ein wenig an Mitt Romneys Unterstützungsrede für die amerikanische Waffenlobby, die auch über alle Bemühungen aufregen kann, die Bevölkerung vor allzu selbstbewussten Besitzern von Schnellfeuerwaffen zu schützen. Das Wort „selbstbewusst“ macht hier überhaupt stutzig. Drückt Selbstbewusstsein sich denn darin aus, dass man auf andere keine Rücksicht nimmt? Sollte es nicht anders herum sein? Die „Gefahr der kulturellen Entropie“ ist jedenfalls deutlich größer, wenn man den Denkmalschutz zurückschrauben und einer industriellen Baukultur mit selbstbewussten Baukünstlern „freies Schussfeld“ geben würde. Geschichte ist eben, wie Mayer H. sagt, wie Architektur auch, immer Teamwork und work-in-progress. Das gelingt nur, wenn man kooperiert und das, was schon geleistet wurde, intelligent weiter zu nutzen weiß. Wer Surrealismus will, sollte Bilder malen.
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Florian Stocker / 16.4.2013 / 11:54

Jein ...

Die Realität ist das letzte was wir als Architekten aufgeben dürfen.
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